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In der Klemme: Die britische Premierministerin Theresa May.

© REUTERS

Nächste Brexit-Chance verspielt: Englische Woche

Das Unterhaus in London verspielt erneut eine Chance – und das Risiko eines „harten Brexit“ steigt weiter. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

No, no, no, no – viermal hat das Unterhaus am Montagabend Nein gesagt. Erneut gab es wie schon am vergangenen Mittwoch keine Mehrheit für eine künftige Anbindung Großbritanniens an eine EU-Zollunion oder einen „Binnenmarkt 2.0“. Zum zweiten Mal haben die Abgeordneten damit ihre Chance vertan, eine Alternative zum strikten Kurs von Theresa May zu formulieren. Die Regierungschefin möchte Großbritannien aus der EU herausführen, aber auch aus dem Binnenmarkt und der Zollunion.

Mit dem Votum vom Montagabend steigt die Gefahr eines No-Deal-Brexit weiter. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Mehrheit gegen eine Zollunion diesmal noch knapper ausfiel als am vergangenen Mittwoch. Ein positives Votum für eine Zollunion hätte am Montagabend einen Ausweg aus der Sackgasse zeigen können. So aber geht die Hängepartie weiter: May hat keine Mehrheit für den EU-Austrittsvertrag. Aber die Anhänger eines „weichen Brexit“, der ein Bündnis zwischen May und der oppositionellen Labour-Partei ermöglichen könnte, verfügen ebenfalls nicht über den nötigen Rückhalt im Parlament. Es braucht noch weitere Tories und Labour-Abgeordnete, die über den eigenen Schatten springen.

Das Spiel auf beiden Seite könnte weitergehen

Nun lässt sich das Spiel auf beiden Seiten noch weiter wiederholen: May könnte versuchen, den EU-Austrittsvertrag nach dreimaligem Scheitern ein viertes Mal dem Unterhaus vorzulegen. Und für den kommenden Mittwoch sind im Unterhaus bereits weitere Testabstimmungen der Fans eines „weichen Brexit“ geplant. Aber wenn May den Deal mit der EU nicht in den nächsten Tagen irgendwie über die Ziellinie bringt und auch die Gegenseite nicht reüssiert, dann wird die Regierungschefin den verbleibenden 27 EU-Staaten vor dem Gipfel am 10. April kaum erklären können, wozu eine mögliche weitere Verlängerung der Brexit-Frist überhaupt gut sein soll.

Viele Optionen würden May in diesem Fall nicht mehr bleiben. Sie könnte beispielsweise Neuwahlen ansetzen. Die Hoffnung besteht dabei darin, dass sich mit vorgezogenen Parlamentswahlen etwas an den Mehrheitsverhältnissen in London ändert. Entweder Labour gewinnt dabei eine Mehrheit und damit die Möglichkeit, eine engere Anbindung Großbritanniens an die EU durchzusetzen. Dies ist allerdings angesichts der gegenwärtigen Meinungsumfragen genauso unwahrscheinlich wie ein Wahltriumph der Konservativen, welcher die Abhängigkeit von den Protestanten der nordirischen DUP beenden würde. Viel spricht dafür, dass sich auch mit Neuwahlen an der Pattsituation im Parlament nichts ändert. Soll sich die EU tatsächlich auf eine derart vage Option einlassen?

Schon Harold Wilson wusste: Eine Woche ist eine lange Zeit

Falls sich im Verlauf der bevorstehenden sieben Tage in London nichts Entscheidendes tut, wird die EU vor die schwere Wahl gestellt sein, ob sie einen für beide Seiten schädlichen „harten Brexit“ riskieren oder das Trauerspiel in London noch weiter sinnlos verlängern und obendrein eine Teilnahme der Briten an der Europawahl in Kauf nehmen soll.

Aber einen Trost gibt es immerhin: Noch bleiben den Abgeordneten ein paar Tage, um eine Mehrheit für einen „softish Brexit“, wie er inzwischen genannt wird, zu zimmern. Schon der ehemalige britische Regierungschef Harold Wilson wusste: Eine Woche ist eine lange Zeit in der Politik.

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