zum Hauptinhalt
Angespannt ist inzwischen das Verhältnis der einstigen Freunde Syrien und Türkei. Auch das Treffen zwischen Präsident Baschar al Assad (links) und Ankaras Außenminister Ahmet Davutoglu in Damaskus verlief am Dienstag augenscheinlich nicht in lockerer Atmosphäre.

© Hakan Goktepe/AFP

Nagelprobe für Ankara: Die Türkei setzt Syrien unter Druck

Der türkische Außenminister will bei seinem Besuch in Damaskus lange mit Präsident Assad über Reformen gesprochen haben. Wenn Assad stur bleibt, steht die Türkei vor der Frage, wie weit sie beim Druck auf Syrien gehen will

Der Empfang für einen hochrangigen türkischen Politiker war in Damaskus auch schon einmal freundlicher. Als der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu am Dienstag zu einem Krisengespräch mit Staatsschef Baschar Assad in der syrischen Hauptstadt eintraf, wurde er nicht von seinem Amtskollegen Velid Muallim willkommen geheißen, sondern von einem untergeordneten Beamten. Kurz darauf, Davutoglu war gerade mit Assad zusammengetroffen, kam die Meldung, syrische Panzer seien nahe der türkischen Grenze aufgetaucht: Die Gastgeber machten überdeutlich, was sie von den Forderungen der Türkei und anderer Länder nach dem Ende der Gewalt halten.

Nach seiner Rückkehr nach Ankara betonte Davutoglu am Abend, er habe in sechseinhalbstündigen Gesprächen mit Assad über sehr konkrete Reformforderungen gesprochen. „Nun kommt es auf die Schritte (der Syrer) in den kommenden Tagen an.“ Wichtig sei, dass dem „Willen des Volkes“ Rechnung getragen werde. Einzelheiten nannte er nicht. Davutoglu hatte Assad auch Botschaften des türkischen Präsidenten Abdullah Gül und von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan überbracht. Die Türkei werde immer der „Freund des syrischen Volkes bleiben“, sagte Davutoglu: Die Formulierung legt nahe, dass dies nicht unbedingt für die syrische Regierung gilt. Die ließ noch am Abend wissen, dass sie nicht daran denkt einzulenken: Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana zitierte Assad mit den Worten: „Syrien wird nicht davon ablassen, die bewaffneten terroristischen Gruppen zu verfolgen.“

Die USA, Deutschland und andere Partner der Türkei setzten große Hoffnungen in Davutoglus Mission – die Türkei gilt als eine der wenigen Akteure, die noch zum syrischen Regime durchdringen. Hillary Clinton schickte noch am Montag ihren führenden Syrien-Experten nach Ankara. Als großer und wichtiger Nachbar Syriens hat die Türkei mehr Einfluss in Damaskus als andere.

Die Krise im Nachbarland wird damit zu einer Probe für die Türkei: Ankara will zeigen, dass der türkische Anspruch auf eine Führungsrolle in der Region mit konkreten Erfolgen unterfüttert werden kann. Zugleich wollen die Türken den Einfluss des Iran in der Region zurückdrängen. Die türkisch-syrische Annäherung, die türkische Politiker vom „Bruderstaat“ Syrien säuseln ließ, war aus Sicht Ankaras auch als Schachzug gegen eine Ausbreitung des iranischen Einflusses gedacht. Nun befürchten die Türken ebenso wie die Araber, dass Syrien ganz in den Bann Teherans geraten könnte.

Um das zu verhindern, machen die Regierungen in Ankara, Riad und anderswo Druck auf Assad, um ihn zu Reformen zu bewegen. Solche Reformen, sollten sie etwa einen Machtwechsel zugunsten von Vertretern der sunnitischen Mehrheit in Syrien führen, wären wiederum ein Rückschlag für den schiitischen Iran. Davutoglus Mission war es auch, den Syrern klipp und klar zu sagen, dass sie nicht mehr mit dem Stillhalten der Türkei rechnen können, wenn die Gewalt weitergeht.

Sollten die Türkei und die arabischen Staaten in der UNO neue Strafmaßnahmen wie ein Handelsembargo gegen Syrien unterstützen, wäre das für Assad bedenklich. Denkbar ist auch, dass die Türkei öffentlich den Rücktritt Assads fordert und damit alle Brücken zum Regime abbricht; gleichzeitig könnte Ankara die türkischen Stromlieferungen nach Syrien herunterfahren und weniger Euphrat-Wasser nach Syrien fließen lassen. Auch eine intensivere Unterstützung für die syrische Opposition, die sich bereits mehrmals in der Türkei treffen durfte, ist denkbar. Selbst der treue Verbündete Russland warnte den syrischen Präsidenten in den vergangenen Tagen.

Wie der kühle Empfang für Davutoglu andeutete, ist das syrische Regime aber nicht unbedingt in der Stimmung, auf Mahnungen zu hören. Einige Beobachter in der Türkei glauben, dass Assads Regierung zunehmend unter Realitätsverlust leidet. Assad gehe davon aus, dass die Außenwelt die fortgesetzte Gewalt gegen das eigene Volk immer weiter tolerieren und weiter auf ihn bauen werde, schrieb Hasan Kanbolat, Chef der Ankaraner Denkfabrik Orsam, am Dienstag in einer Analyse. „Der Anfang vom Ende“ habe begonnen.

Wenn Assad stur bleibt, steht die Türkei vor der Frage, wie weit sie beim Druck auf Syrien gehen will. In Ankara haben laut Presseberichten bereits die Vorbereitungen auf Katastrophenszenarien begonnen. Bei einem Treffen von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit der neuen Militärführung am Montag soll es unter anderem um die mögliche Einrichtung einer Schutzzone für Zivilisten auf syrischem Gebiet gegangen sein.

Zur Startseite