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Neue Routine. Ein palästinensischer Polizist prüft die Pässe von Bewohnern des Gazastreifens, die nach Ägypten ausreisen wollen. Ägypten hat am Sonnabend den einzigen nicht von Israel kontrollierten Grenzübergang nach Gaza für Personen wieder eröffnet.

© REUTERS

Nahost: Ägypten öffnet in Rafah die Grenze zu Gaza

Sechs Tage die Woche öffnet Ägypten die Grenze zu Gaza. Frauen und Kinder können passieren, junge Männer brauchen erst ein Visum. Rafah hat das einzige Tor zum Gazastreifen, das nicht von Israel kontrolliert wird.

Seit Samstag neun Uhr morgens ist der ägyptische Grenzübergang zum Gazastreifen in Rafah offen. Das wird in Zukunft sechs Tage die Woche der Fall sein. Es gibt klare Öffnungszeiten und klare Bestimmungen, wer welche Papiere benötigt. Männer zwischen 18 und 40 Jahren müssen sich ein Visum beschaffen. Für alle andern der 1,5 Millionen Einwohner des Gazastreifens gilt nun Reisefreiheit nach Ägypten.

Etwas mehr als 300 Palästinenser und Palästinenserinnen haben am Samstag die Grenze in Rafah überquert. Rafah ist das einzige Tor zum Gazastreifen, das nicht von Israel kontrolliert wird. Der Übergang steht nur für Personen zur Verfügung. Güter werden hier keine abgefertigt. Es gelten die Sicherheitskontrollen, wie sie schon seit Jahren angewandt wurden, wenn die Grenze jeweils für kurze Zeit geöffnet wurde, vor allem um Kranke, Studenten und Mekka-Pilger ein- und ausreisen zu lassen.

Mit der permanenten Öffnung der Gaza-Grenze löst die Regierung in Kairo ein Versprechen ein, dass sie Ende April gegeben hatte, nach der erfolgreichen Vermittlung eines Abkommens zwischen den palästinensischen Rivalen Hamas und Fatah. Die Entscheidung ist ein radikaler Bruch mit der Außenpolitik unter Expräsident Hosni Mubarak, der die israelische Blockadepolitik trotz massiver Kritik im eigenen Land über vier Jahre mitgetragen hatte. Wie eine Sprecherin des Außenministeriums in Kairo betonte, sei der Schritt erfolgt, um das Leiden der Menschen im Gazastreifen zu lindern. Er seine ohne Konsultationen oder Absprachen mit andern Ländern unternommen worden

Die Außenpolitik ist eines jener Felder, das nach der Revolution des 25. Januar die dramatischsten Veränderungen gesehen hat. Architekt der Neuausrichtung ist Außenminister Nabil al Arabi. Er war auf Vorschlag der Jugendbewegung von den Generälen auf diesen Posten berufen worden. Der 75-jährige versierte Diplomat hat in wenigen Wochen neue Akzente gesetzt. Im Vordergrund stehen nun die ägyptischen Interessen, und Kairo ist nicht mehr wie bisher in erster Linie ein Vertreter der amerikanischen Interessen in der Region.

Die neue Strategie zeigt sich vor allem in drei Bereichen schon ganz konkret. Das sind neben dem israelisch-palästinensischen Konflikt die Beziehungen zum Iran und zu den afrikanischen Ländern des Nilbassins. Im Fall von Israel bleibt zwar der Friedensvertrag unangetastet, Kairo will aber mehr tun, um den Menschenrechten der Palästinenser Geltung zu verschaffen, und Israel als Staat soll keine Priorität gegenüber anderen Ländern mehr genießen. Die Gaza-Blockade war in den Augen der ägyptischen Bevölkerung ein Schandfleck.

Einen Neuanfang gibt es auch in den Beziehungen zum Iran, die seit der islamischen Revolution von 1979 praktisch auf Eis liegen. Ägypten wolle eine neue Seite mit allen Staaten aufschlagen und keine Feindseligkeiten mit irgendeinem Land, ließ al Arabi seinen iranischen Amtskollegen Ali Akbar Salehi bei einem Treffen der blockfreien Staaten wissen. Die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen soll dann im Herbst vom neu gewählten Parlament beschlossen werden. Ein Novum ist auch, dass die Volksvertreter in außenpolitische Entscheidungen einbezogen werden.

Eine weitere Kehrtwende hat die ägyptische Diplomatie in den letzten Wochen auch in ihrer Haltung gegenüber den Nil-Anrainerländern vollzogen. Jetzt wird nicht mehr blockiert, sondern versucht, im schwelenden Streit über die Verteilung des Nilwassers Kompromisse zu finden, die Beziehungen mit den einzelnen Ländern zu verbessern und wirtschaftlich enger zusammenzuarbeiten. Premierminister Essam Sharaf ist etwa zu diesem Zweck nach Äthiopien gereist und hat dort erklärt, dass sich Ägypten nicht mehr gegen den Bau des geplanten Millennium-Staudammes am Nil stelle.

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