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Nahost: Der Libanon hat wieder einen Präsidenten

Monatelang konnten sich die vom Westen und den USA unterstützte Regierung unter Ministerpräsident Siniora nicht mit der Opposition auf einen Präsidentschaftskandidaten einigen. Jetzt signalisiert Siniora plötzlich Einlenken.

Die Regierung unter Ministerpräsident Fuad Siniora und die Opposition aus Hisbollah, Amal und dem Christenführer Michel Aoun, die den Rückhalt Syriens und Irans haben, kommen sich in der Präsidentenfrage offenbar näher. Jetzt, kurz nach der Nahostkonferenz in Annapolis, signalisierte die Regierung Siniora plötzlich Einlenken. Sie verkündete am Sonntag offiziell, dass sie den Oberbefehlshaber der Armee, Michel Soleiman, als Kandidaten akzeptiert.

Soleiman war einer der Kompromisskandidaten, den die prosyrische Opposition vorgeschlagen hatte; er wurde jedoch von der Regierung zunächst abgelehnt. Der 59-jährige Soleiman ist seit 1998 Oberbefehlshaber der libanesischen Armee, die bei allen Fraktionen in Libanon hohen Respekt genießt. Soleiman gilt als syrienfreundlich, aber nicht als Lakai von Damaskus wie sein Vorgänger. Für seine Wahl muss zwar noch die Verfassung geändert werden, weil Staatsdiener bisher erst zwei Jahre nach Aufgabe ihrer Ämter Präsident werden können. Doch da die Regierung diesem Verfahren zugestimmt hat, scheint der Weg für die Wahl eines neuen libanesischen Präsidenten geebnet.

Über die Hintergründe für die Kehrtwende der Regierung Siniora und ihres Alliierten USA kann bisher nur spekuliert werden. Alles deutet darauf hin, dass eine Vereinbarung zwischen Washington und Damaskus dahintersteht. Doch der syrische Vize-Premierminister Abdallah Dardari bestreitet dies in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Wir machen keine Deals“, sagt Dardari in Damaskus. Syrien habe nie einen Namen für die libanesische Präsidentschaft vorgeschlagen. Eine Erklärung für den Sinneswandel der USA und der Regierung Siniora habe er nicht. „Man hat wohl verstanden, dass die libanesische Stabilität im regionalen Interesse ist“, sagt Dardari. Durch sein Sprachrohr in Libanon, die schiitische Amal unter Parlamentspräsident Berri, kritisierte Syrien am Wochenende allerdings die amerikanische Einmischung. Der US-Botschafter in Beirut, Jeffrey Feltman, soll einen Kompromisskandidaten abgelehnt haben, auf den sich alle Fraktionen vor Ablauf der Amtszeit Lahouds geeinigt hatten. Diese Version wird von europäischen Diplomaten in Damaskus bestätigt.

Nach Ansicht von Amal Saad-Ghorayeb vom amerikanischen Thinktank Carnegie International in Beirut ist die Einigung nicht das Ergebnis des Treffens in Annapolis, an dem Syrien in letzter Minute doch noch teilnahm. „Wir konnten schon vor Annapolis eine amerikanisch-syrische Annäherung beobachten“, sagte Saad-Ghorayeb. Dafür spricht auch, dass der prosyrische scheidende Präsident Lahoud schließlich seine Ankündigung nicht wahr machte, eine zweite Regierung einzusetzen, um zu verhindern, dass seine Vollmachten an Premierminister Siniora übergehen, wie dies die Verfassung vorsieht. Die USA und ihre Verbündeten im Libanon seien „zurückgerudert“, stellt Saad-Ghorayeb fest. Die Opposition habe „fast alles bekommen, was sie wollte“. Was Damaskus im Gegenzug versprochen haben mag, bleibt Spekulation. Der Westen will Syrien aus der engen Umarmung Teherans lösen und wünscht Kooperation im Irak, Libanon und Palästina.

Doch auch Frankreich und Ägypten haben wohl an dieser Einigung mitgewirkt. Nach Angaben des amerikanischen Syrien-Experten Joshua Landis soll die libanesische Delegation in Annapolis völlig überrascht worden sein, als EU-Vertreter und ägyptische Diplomaten ihnen zu ihrer Einigung auf einen Präsidentschaftskandidaten gratulierten. US-Außenministerin Condoleezza Rice soll bei Nachfragen der Libanesen auf Frankreich und Ägypten verwiesen haben, berichtet Landis auf seiner Website unter Berufung auf nicht genannte Teilnehmer der Konferenz. Frankreich hatte nach der Wahl Nicolas Sarkozys zum Präsidenten den Kontakt mit Syrien wieder aufgenommen, den Jacques Chirac nach der Ermordung seines Freundes Rafiq Hariri 2005 abgebrochen hatte. Den Franzosen wird auch zugeschrieben, dass es jetzt Aussicht auf ein Nahosttreffen Anfang 2008 in Moskau gibt. In Fortsetzung von Annapolis soll es dabei ausdrücklich – wie von Syrien gewünscht – auch um die von Israel besetzten Golanhöhen gehen.

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