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Politik: Nahost: Die Unruhen in Nahost haben Arafat und Barak gestärkt

Die tödlichen Kämpfe zwischen Israelis und Palästinensern sind fast vorüber - die große Terrorgefahr ist geblieben. Die Kämpfe haben gezeigt, dass weder die palästinensische Führung noch die israelischen Kommandanten ihre Leute und jeden Untergebenen jederzeit unter Kontrolle haben, von der jeweiligen Opposition ganz zu schweigen.

Die tödlichen Kämpfe zwischen Israelis und Palästinensern sind fast vorüber - die große Terrorgefahr ist geblieben. Die Kämpfe haben gezeigt, dass weder die palästinensische Führung noch die israelischen Kommandanten ihre Leute und jeden Untergebenen jederzeit unter Kontrolle haben, von der jeweiligen Opposition ganz zu schweigen. Die Widersacher auf der eigenen Seite, seien es Islamisten oder Siedler-Extremisten, werden versuchen, den Friedensprozess mit Gewalt weiter zu verzögern, wenn möglich gar zu stoppen.

Etwas Erfreuliches haben die schweren Auseinandersetzungen jedoch ebenfalls demonstriert: Beide Seiten ließen sich durch die hohe Zahl der Toten, die mehr als tausend Verwundeten, die Schreckensbilder und den wiederaufgeflammten individuellen und den Massen-Hass nicht von ihrem politischen Konzept abbringen. Kaum schweigen die Waffen, wird schon wieder verhandelt, sogar auf höchster Ebene. Die Einsicht, dass man miteinander sprechen muss, weil man auch in Zukunft nebeneinander leben wird, hat Tod und Schüsse überlebt.

Dieser nahtlose Übergang vom Schlachtfeld zum Verhandlungstisch nimmt sich für westliche Augen verwunderlich aus. Doch er ist längst zum Kennzeichen des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses geworden. Israelis und Palästinenser sind zwar in ihren ideologischen Tagträumen Maximalisten, insbesondere, was die Territorialfragen angeht. Aber im Alltag erweisen sie sich am Ende stets als auf dem Boden der Realität stehende Pragmatiker.

50 Tote - wofür?

Deshalb ist allen in dieser Region üblichen Krisen und Kämpfen zum Trotz doch noch ein erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen möglich. Sie wurden auch diesmal nur vorübergehend gestoppt. Ein vollständiger Friedensvertag ist derzeit unrealistisch. Auf ein Rahmenabkommen mit der Perspektive Friedensvertag tippen nur noch Optimisten. Aber eine Teil-Vereinbarung, die die umstrittensten Themen wie Tempelberg, Jerusalem und die Rückkehr der Flüchtlinge ausklammert, scheint erreichbar zu sein.

Jassir Arafat und Ehud Barak haben beide von den Kämpfen profitiert: Arafat kann bei den Verhandlungen darauf hinweisen, dass sein Volk bereit ist, Leben zu opfern, um die palästinensische Souveränität in Ostjerusalem und über die Heiligen Stätten durchzusetzen. Barak kann den wiedergewonnenen nationalen Konsens in Bezug auf ein unteilbares Jerusalem betonen; weitere Konzessionen in dieser Frage seien ihm deshalb nicht möglich. Arafat hat nach anfänglichem Zögern die Kontrolle über seine Leute wieder weitgehend hergestellt und seine Position gestärkt. Barak hat bei den Israelis gepunktet, die es ihm als Wechselwähler im nächsten Frühjahr ermöglichen sollen, an der Macht zu bleiben.

Von den Opfern spricht bald niemand mehr - außer den Angehörigen und den Politikern, die dies für ihre Zwecke instrumentalisieren können. Rund fünfzig Menschen sind gestorben - wofür? Eigentlich für nichts. Die moslemische Kontrolle über die Al-Aksa-Moschee, das drittwichtigste Heiligtum des Islams, war nie in Gefahr.

Israel hätte, wenn es gewollt hätte, nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 die Herrschaft über den Tempelberg einschließlich der beiden Moscheen dort an sich reißen können. Doch es entschied damals weise, die eigentliche Kontrolle an die islamische Religionsbehörde Waqf und deren Wächter abzutreten. Die Machtverhältnisse dort sind seither unverändert geblieben, und daran wird sich wohl auch in den Verhandlungen nicht viel ändern, von Worten abgesehen. Für Formulierungen sterben? Ein sinnloser Tod.

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