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Wie entspannt wird der Plausch dieses Mal? Präsident Barack Obama and Premierminister Benjamin Netanjahu 2009, kurz vor dem Dreiertreffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.

© dpa

Nahost-Diplomatie: Obama empfängt Netanjahu im Weißen Haus

In der Gaza-Krise sind die USA in einen Loyalitätskonflikt zwischen ihren Verbündeten Türkei und Israel geraten. Das Treffen von Präsident Obama mit Israels Staatschef Netanjahu am Dienstag wird daher mit Spannung erwartet.

Psychologisch wird dieser Dienstag spannend. Israels Premier Benjamin Netanjahu besucht US-Präsident Barack Obama im Weißen Haus. Sie haben konfrontative Monate hinter sich. Gut möglich, dass dies ein Versöhnungstreffen wird. Es kann aber auch sein, dass der Kampf zweier politischer Alphatiere weitergeht.

Frostig war das Klima bei Netanjahus Besuch Ende März. Obama verweigerte ihm den gemeinsamen Auftritt vor den Kameras. Er wollte zeigen, dass er die Behandlung seines Vizepräsidenten Joe Biden wenige Tage zuvor als Affront empfand. Kurz nach Bidens Ankunft in Israel kündigten die Behörden den Bau neuer Siedlungen in Ost-Jerusalem an. Obama hatte einen Siedlungsstopp verlangt. Er möchte Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern vermitteln.

Der nächste Termin Anfang Juni fiel ganz aus. Der tödliche Ausgang der Militäraktion, mit der Israel eine türkische Hilfsflottille daran hindern wollte, die Blockade des Gaza-Streifens zu durchbrechen, zwang Netanjahu, seine Nordamerikareise nach dem Besuch in Kanada zu beenden. Und er stellte Obama vor die Wahl, welchen der beiden engen Verbündeten er in dem Konflikt unterstützen und wen im Umkehrschluss vor den Kopf stoßen wolle: die Türkei oder Israel.

Dazwischen lag ein weiterer Streit um den Umgang mit Israels Atomwaffen. Die UN-Konferenz zur Überprüfung des Atomsperrvertrags endete im Mai mit der Forderung nach einer atomwaffenfreien Zone Nahost und einer internationalen Konferenz zu deren Umsetzung 2012. Auch die USA trugen diesen Kompromiss mit, weil arabische Staaten gedroht hatten, sonst die ganze Konferenz scheitern zu lassen. Es ist ein papierner Triumph für alle, die Israel zur Aufdeckung – und Aufgabe – seines Atomwaffenarsenals zwingen wollen. In der Praxis wird wohl gar nichts daraus folgen. Israel hat weder den Atomsperrvertrag unterschrieben noch an der Konferenz teilgenommen.

Amerikanischen Medien dient der Vorgang als neues Beispiel, wie politisch schwach oder gar „verlogen“ die Vereinten Nationen seien. Der Iran, der die Kontrollauflagen des Vertrags laut der Überprüfungsbehörde IAEO seit Jahren verletzt, wird in der Erklärung gar nicht erwähnt. Israel wird dagegen an den Pranger gestellt, obwohl es nicht an den Vertrag gebunden ist. Die Regierung Obama distanzierte sich von ihrer Zustimmung zu dem Dokument, indem sie diese Kritikpunkte hervorhob. Doch im bilateralen Verhältnis blieb eine Belastung. Bisher hatten die USA Israels Politik, die Atomwaffen nicht zu erwähnen, mitgetragen. Israelische Diplomaten meinten verstanden zu haben, das gelte auch für die Überprüfungskonferenz. US-Außenpolitiker sagen dagegen, sie hätten Israel vorab informiert, dass sie die Konferenz nicht ein zweites Mal, wie 2005, an dieser Frage scheitern lassen wollten und deshalb zu dem papiernen Kompromiss bereit seien. Israel fühlte sich jedoch von seinem engsten Verbündeten im Stich gelassen.

Trotz der Vorgeschichte prognostizieren Amerikas Nahost-Experten, Netanjahus Besuch bei Obama werde ein „feel good“-Treffen. Es gehe darum, „die Iden des März“ hinter sich zu lassen, zitiert die „New York Times“ David Makovsky vom Institut für Near East Policy unter Anspielung auf die römische Geschichte. In der „Washington Post“ listet Martin Indyk, US-Botschafter in Israel unter Bill Clinton und heute einer der prominentesten Nahost-Fachleute bei der Brookings Institution, auf, welche Vorleistungen Netanjahu und Obama erbracht haben, um doch noch ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. In der Öffentlichkeit sei das weitgehend unbemerkt geblieben.

In der Westbank seien schon seit Jahresbeginn keine neuen Siedlungen mehr begonnen worden, schreibt Indyk. In Ost-Jerusalem habe Netanjahu die Pläne nach dem Eklat um den Biden-Besuch stillschweigend gestoppt. Umgekehrt habe Obama die Militärhilfe für Israel um 205 Millionen Dollar erhöht. Von dem Geld wird eine Raketenabwehr gebaut, die Israels grenznahe Städte schützt. Die neuen UN-Sanktionen gegen den Iran, die Obama um schärfere Maßnahmen der USA erweitert habe, stärkten Israels Vertrauen, dass das Versprechen, eine iranische Bombe zu verhindern, kein leeres Wort sei.

Die Annäherung zwischen Obama und Netanjahu mag „eine schlechte Nachricht sein für jene, die sich einen Präsidenten wünschen, der Israel zum Frieden zwingt“, analysiert Indyk. Wer dagegen einen Fortschritt im Friedensprozess anstrebe und Irans Rüstungsehrgeiz einschränken wolle – „und dazu zählen auch die moderaten arabischen Führer“ –, der „darf es begrüßen, dass Netanjahu und Obama verstanden haben, dass sie ihre Ziele nur gemeinsam, nicht gegeneinander erreichen können“.

In der Gaza-Krise gelang es Obama, den Konflikt mit der Türkei zu begrenzen und in drei Telefonaten mit Netanjahu eine Lockerung der Blockade zu erreichen. Er braucht nun aber sichtbare Fortschritte im Friedensprozess, damit die muslimische Welt sein Angebot zu einem neuen Dialog nicht als Propaganda abtut. Er ist auch in regelmäßigem Kontakt mit den Führern Ägyptens und Saudi-Arabiens, die auf der arabischen Seite die Tür zu Friedensgesprächen offen halten. Die Arabische Liga hat ihre Aufforderung an die Palästinenser, „proximity talks“, also indirekte Gespräche aufzunehmen, auch nach der Gaza-Krise nicht zurückgenommen. Insgesamt seien die Bedingungen für den Friedensprozess zwar weiterhin nicht wirklich gut, heißt es in Washington mit Blick auf die Spaltung der Palästinenser in Fatah und Hamas sowie die politische Verhärtung in Israel. Aber zugleich sei das Klima aussichtsreicher als je zuvor seit Ausbruch der zweiten Intifada im Jahr 2000.

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