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Politik: Nahost: Diplomatische Worte

Wer Israelis und Palästinenser über den Nahostkonflikt reden hört, hat den Eindruck, es handele sich nicht um ein und dieselbe Auseinandersetzung. So unterschiedlich ist die Wahrnehmung auf beiden Seiten.

Wer Israelis und Palästinenser über den Nahostkonflikt reden hört, hat den Eindruck, es handele sich nicht um ein und dieselbe Auseinandersetzung. So unterschiedlich ist die Wahrnehmung auf beiden Seiten. Dies wurde auch beim Besuch von Bundesaußenminister Joschka Fischer deutlich, der seinen britischen Amtskollegen Jack Straw in der Region ablöste. Während sich laut Tageszeitung "Haaretz" israelische Regierungskreise befriedigt darüber zeigten, dass Großbritannien und Deutschland den US-Positionen deutlich näher stehen als viele andere europäische Staaten, feiern die Palästinenser, dass Europa endlich eigenständige Ideen entwickele, unabhängig von amerikanischen Vorgaben.

Beide Seiten blenden damit Teile der Realität aus: So scheint den Israelis entgangen zu sein, dass Fischer, der am Donnerstag von Kairo aus zu seinem vierten Besuch innerhalb von acht Monaten in Israel eintraf, nachdrücklich eine politische Lösung fordert. "Die Sicherheit Israels kann nicht erzwungen werden - sie hängt vom Frieden ab", sagte Fischer in einem Vortrag an der Universität von Tel Aviv. Dies ist zwar keine wirklich spektakuläre Forderung, weicht aber erheblich von der Strategie des israelischen Premiers Ariel Scharon ab.

Dagegen hatte Straw in der Tat die amerikanisch-israelische Position unterstützt, die politische Gespräche ausschließt, solange die Sicherheitsfrage nicht gelöst ist. Wenn Fischer davon spricht, dass der "Schlüssel" zur Lösung des Konfliktes die Erkenntnis der "gegenseitigen Abhängigkeit" sei, richtet sich dies auch eher kritisch an Israel. Denn die Palästinenser spüren ihre Abhängigkeit von den Israelis im täglichen Umgang mit der Besatzungsarmee. Auch wies Fischer daraufhin, dass Israels Image in Europa darunter leide, dass die israelische Armee die mit EU-Mitteln finanzierte Infrastruktur in den Palästinensergebieten bei Vergeltungsangriffen zerstöre. Dies wird Fischer auch in seinem Gespräch mit Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser wiederholt haben. Trotz dieser milden Kritik scheint sich die israelische Regierung jedoch der vollen Unterstützung Deutschlands sicher zu sein. Vielleicht hatte man nach den Ereignissen der letzten Wochen ja auch stärkere Kritik gefürchtet.

Die Palästinenser dagegen sehen dagegen Anzeichen dafür, dass Europa und Deutschland unabhängig von US-Vorgaben über Initiativen in Nahost nachdenken. Der Leiter des Medien-und Kommunikationszentrums in Jerusalem, Ghassan Khatib, war vor zehn Tagen zusammen mit dem palästinensischen Kulturminister Abbed Rabbo und dem israelischen Abgeordneten der Arbeitpartei, Jossi Beilin, zu Besuch bei Fischer in Berlin. Erstmals "denken die Europäer selbständig", meint Khatib im Hinblick auf die Idee von Neuwahlen und Referendum, die Deutschland und Frankreich informell vorgebracht hatten. Er hofft im Gespräch mit dieser Zeitung, dass diese Ideen, auch wenn sie in seinen Augen keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Friedensprozess haben werden, weiter diskutiert werden. Beispielsweise bei dem Treffen Fischers mit zehn Israelis und zehn Palästinensern am Freitagnachmittag in der norwegischen Vertretung.

Für die Palästinenser ist außerdem wichtig, dass der deutsche Außenminister am Sonnabend Palästinenserpräsident Jassir Arafat in seinem Hausarrest in Ramallah aufsuchen wird. Damit stärke er dessen Glaubwürdigkeit und Legitimiät, sagen sie. In Kreisen des Auswärtigen Amtes war man sich der Gefahr bewusst, dass die Palästinenser den Besuch als einseitige Unterstützung ihrer Position missverstehen könnten. Daran, dass in diesem Konflikt jeder nur sieht und hört, was er mag, müssen sich auch die deutschen Diplomaten gewöhnen.

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