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Politik: Nahost: Gefesselt und nummeriert

Israels größte Tageszeitung hat die Polizeiaktion genau dokumentiert. In großen Bildern, aufgenommen von einem Amateurfotografen, zeigte das Boulevardblatt "Yedioth Ahronoth", wie israelische Polizisten einen mutmaßlichen Terroristen fesseln, entkleiden, auf die Straße legen und erschießen.

Israels größte Tageszeitung hat die Polizeiaktion genau dokumentiert. In großen Bildern, aufgenommen von einem Amateurfotografen, zeigte das Boulevardblatt "Yedioth Ahronoth", wie israelische Polizisten einen mutmaßlichen Terroristen fesseln, entkleiden, auf die Straße legen und erschießen. Nach offizieller israelischer Version lag der Palästinenser auf dem Auslöser einer Bombe, die er sich um den Bauch gebunden hatte, weigerte sich aber, sich umzudrehen.

Zum Thema Fotostrecke: Krieg in Nahost Dass die Bilder in Israel keinerlei Proteste hervorriefen, dass das Vorgehen der Polizei in der Bevölkerung sogar auf volles Verständnis stieß, hängt mit der Anschlagsserie am Wochenende zusammen. Weit mehr Aufsehen erregten im Ausland und auch in Israel aktuelle Bilder von langen Reihen festgenommener Einwohner von Flüchtlingslagern, denen die Augen verbunden und die Hände gefesselt waren. Palästinenserchef Jassir Arafat bestätigte, dass den Festgenommenen Nummern auf die Arme geschrieben wurden. Israels Generalstabschef Schaul Mofaz und der für die Westbank zuständige General Jtzchak Gerschon erklärten diese Praktiken als unakzeptable Einzelfälle, die untersucht und sofort verboten würden. Mofaz sah sich vom oppositionellen Abgeordneten Tommy Lapid attackiert: Er sei als Holocaust-Überlebender über die Kennzeichnung auf den Armen zutiefst erschüttert und verlange die sofortige Einstellung dieser Praxis.

Seit zwei Wochen stürmt die israelische Armee palästinensische Flüchtlingslager. Dabei wurden viele Palästinenser getötet, aber nur wenige Kämpfer festgenommen. Wohl deshalb hat die Armee ihre Taktik geändert. "In brüchigem Arabisch forderte die Armee über Lautsprecher, dass sich alle Männer im Alter zwischen 15 und 45 auf die Hauptstraße begeben", erzählt der Mitarbeiter des Ibdaa-Kulturzentrums von Deheischeh, Dschihad Abbas. Die Männer mussten ihre Taschen leeren, Jacken und Hemden ausziehen, die Hände über dem Kopf halten, sich fotografieren lassen. Dann seien ihnen die Augen verbunden, die Hände auf dem Rücken gefesselt und Nummern auf den Arm geschrieben worden. "Sie fühlten sich wie Tiere, nicht mehr wie menschliche Wesen."

Dabei hatten die palästinensischen Kämpfer das Lager nach Angaben von Abbas fünf Tage vorher verlassen. "Unsere Kämpfer wollen um jeden Preis Gefechte im Lager verhindern, weil es dann zu Massakern kommen würde", erklärt der Sozialarbeiter. Und wohin waren die Gesuchten geflüchtet? Zur Geburtskirche in Bethlehem. Sie gingen davon aus, dass die Armee die Kirche nicht angreifen wird, sagt Abbas.

Die größte Offensive seit Jahren zeitige gute Resultate, sagte Mofaz vor dem Knessetausschuss für Außen- und Sicherheitspolitik. Ein Großteil der terroristischen Infrastruktur sei zerstört, "über 80 Prozent der Anschläge" seien verhindert worden. Mofaz war des Lobes voll - trotz zunehmender internationaler und interner Kritik. Laut dem UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge hat die israelische Armee allein in den vier ersten attackierten Flüchtlingslagern im Westjordanland 1620 Wohnhäuser beschädigt oder zerstört. Laut den israelischen "Ärzten für Menschenrechte" griffen israelische Truppen in den letzten sieben Monaten 165 paläsinensische Ambulanzfahrzeuge an und verletzten 135 Ambulanzfahrer und Helfer.

C. A. Landsmann, A. Nüsse

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