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Politik: Nahost: Härter als alle

Der 17. Oktober sollte ein wichtiger Tag für Rechavam Seevi werden.

Der 17. Oktober sollte ein wichtiger Tag für Rechavam Seevi werden. In der Abgeschiedenheit des Mount Scopus, im Ostteil Jerusalems, hatte er sich auf seinen Rücktritt als israelischer Tourismusminister vorbereitet. Hier, im eleganten Hyatt-Hotel wollte er die letzten Stunden vor dem mit Spannung erwarteten Treffen mit Premierminister Ariel Scharon verbringen. Am Mittag würde sein Rücktritt in Kraft treten, den er zusammen mit seinen Partnern vom Rechtsbündnis "Nationale Union" am Montag eingereicht hatte. Und Scharon wollte versuchen, ihn noch einmal umzustimmen.

Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Als Zeewi am Morgen sein Hotelzimmer betreten will, wird er von zwei Kopfschüssen niedergestreckt. Abgefeuert von einem Mitglied der links-radikalen Palästinenser-Organisation "Volksfront zur Befreiung Palästinas" (PFLP), die sich umgehend zu diesem Anschlag bekennt. Grafik: Der Anschlag auf Minister Zeewi Mit dem Anschlag sollte der PFLP-Anführer Abu Ali Mustafa gerächt werden, der Ende August vom israelischen Militär getötet wurde. Zeewi ist alleine, als die Schüsse ihn treffen - Personenschutz hat er immer abgelehnt. Keiner der anderen Hotelgäste bekommt die Tat mit. Es gibt keine Augenzeugen. Wenige Minuten später wird er von seiner Frau Rachel, die ihn oft bei öffentlichen Auftritten begleitet hat, schwer verwundet, auf dem Flur liegend, gefunden. Doch für Seevi kommen alle Rettungsversuche zu spät. Nach einer dreistündigen Not-Operation wird im nahegelegenen Hadassa-Krankenhaus sein Tot festgestellt.

Zu keinem Kompromiss bereit

Zeewi stand wie kein Zweiter für eine Politik der harten Hand gegenüber den Palästinensern. Er war vielleicht der umstrittenste Politiker Israels. Als Vorsitzender der ultra-rechten "Moledet"-Partei war er zu keiner Zeit zu Friedens-Konzessionen bereit. In den Arabern sah er Feinde, deren einziges Ziel die Vernichtung Israels sei.

Als er nach einer Armeekarriere vor dreizehn Jahren erstmals in die Knesset, Israels Parlament, gewählt wurde, machte er schnell als Vater der so gennanten Transfer-Lösung von sich reden: Alle Palästinenser sollten kurzerhand aus den besetzten Gebieten des Westjordanlands abgeschoben werden. Mit diesen radikalen Ansichten stieß er jedoch selbst im politisch rechten Lager auf starken Widerstand. Seine extreme Partei wurde zwar geduldet - selten jedoch in politische Entscheidungsprozesse eingebunden. Aufgrund seiner strikten Ablehnung des Friedensprozesses wurde Zeewi deshalb ironisch "Gandhi" genannt.

Der Kosename drückt auf der anderen Seite die Wertschätzung aus, die Seevi wegen seiner Liebe zu Israel in Teilen der Bevölkerung genoss. Wie kaum ein anderer Politiker wurde "Gandhi" auch von seinen erbittersten politischen Feinden respektiert. Als junger Mann kämpfte Seevi in der jüdischen Untergrundbewegung "Palmach" für die Unabhängigkeit des Judenstaates. Später diente er dann als General in der israelischen Armee. Seinen unerbittlichen Kampf für Israel setzte Rechavam Seevi auf politischer Bühne fort.

Er entwickelte sich zum Sprachrohr der Siedler in den besetzten Gebieten. Bei seinen Besuchen im Westjordanland trat er mit Maschinenpistole bewaffnet vor die Kameras. Lautstark protestierte er gegen das Treffen zwischen Außenminister Peres und Palästinenser-Präsident Arafat. Und als die Scharon-Regierung einen Teilabzug der israelischen Truppen aus Hebron beschloss, reichte er am Montag seinen Rücktritt ein.

Bei seinem letzten Fernsehauftritt am Dienstagabend verteidigte er seine Entscheidung und nannte Arafat lautstark einen Mörder. Wie bei jedem öfferntlichen Auftritt trug er einen Anhänger um den Hals, der an die gekidnappten israelischen Soldaten im Libanon erinnert. Zeewi setzte seinen Kampf bis zu seinem letzten Tag fort.

Durch seine Ermordung hat der Nahostkonflikt eine neue Dimension erreicht. Zum ersten Mal wurde ein israelischer Politiker Opfer eines palästinensischen Anschlags. Bisher hatten die Attentate Siedlern, Soldaten oder wahllos ausgewählten Zivilisten gegolten wie beim Selbstmordanschlag auf ein italienisches Restaurant in Jerusalem vor zwei Monaten. Vor dem Sitz des Premierministers versammeln sich noch am Mittwochvormittag radikale Anhänger Zeewis, die nun den Kopf von Arafat fordern. Arafat steht nun unter Zugzwang. Da der Attentäter, aller Voraussicht nach, ins Gebiet der Autonomie-Behörde flüchtete, wird er alles daran setzen müssen, ihn festzunehmen und auszuliefern. Wenn er Seevis Worten keine Berechtigung geben will.

Patrick Goldfein

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