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Politik: Nahost: Jung - aber mit einem klaren Feindbild

Hussam hat vor drei Wochen aufgehört zu rauchen. "Damit ich bei den Demos schneller rennen kann", erklärt der junge Mann in geringeltem T-Shirt, beige-farbener Jeans und blauen Turnschuhen.

Hussam hat vor drei Wochen aufgehört zu rauchen. "Damit ich bei den Demos schneller rennen kann", erklärt der junge Mann in geringeltem T-Shirt, beige-farbener Jeans und blauen Turnschuhen. Der 29-jährige Politik-Student ist Leiter der Fatah-Jugendorganisation in Jerusalem. Viel Auslauf hat Hussam derzeit allerdings nicht. Er sitzt im "Exil" in Ramallah. Seit dem Ausbruch der Intifada kann er die autonome palästinensische Stadt nicht mehr verlassen. Denn nach eigenen Angaben wird er von den Israelis gesucht. Auf dem Weg in sein Haus in Ost-Jerusalem oder an die dortige Al-Quds-Universität würde er sofort festgenommen - an einem der israelischen Checkpoints, die den 15 Kilometer langen Weg zwischen Ramallah und Jerusalem säumen und der durch Gebiete mit der Kennung "B" und "C" geht, die Israel militärisch kontrolliert.

Doch dass sein Studium so ein jähes Ende nahm, ist Hussam Shahin nur Recht. Jetzt widmet er seine Zeit vollständig der Fatah-Jugend. Gab es früher Fußball, Malwettbewerbe und Sommer-Camps für die Mitglieder im Alter von 16 bis 30 Jahren, so reduziert sich die Aktivität seit der Intifada auf die freitäglichen Demonstrationen am völlig zerschossenen Hotel "City In". Dort werfen sie Steine auf die israelischen Soldaten am Checkpoint, tragen Verletzte weg und kommen am nächsten Freitag wieder. "Diesmal werden wir nicht nachgeben", sagt der redegewandte Hussam überzeugt. "Wir kämpfen für Frieden und unsere Unabhängigkeit".

"Solange die Israelis nicht selbst leiden, werden sie nie das besetzte Land zurückgeben", ist sich Hussam mittlerweile sicher. Anschläge in Israel lehnt er ab. Den Waffenstillstand in den autonomen Gebieten akzeptiert er. Aber Siedler und israelische Soldaten in den besetzten Zonen "B" und "C" seien legitime Ziele. Dorthin dürften die palästinensischen Polizisten ja sowieso keinen Fuß setzen.

Ob seine Leute denn auch über Waffen verfügen, will der agile junge Mann nicht sagen. Sein Handy klingelt. Es ist ein Freund aus einem israelischen Gefängnis bei Jenin. Hussam doziert lange am Telefon. Als er auflegt, erzählt er etwas aufschneiderisch: "Wir schmuggeln alles ins Gefängnis, was wir wollen." So auch das Mobil-Telefon für den inhaftierten Mitstreiter.

Am frühen Nachmittag beginnen sich die Räume der Fatah-Jugend, im ersten Stock eines Gebäudes im Stadtzentrum von Ramallah, zu füllen. Nader Hanoun kommt von der Arbeit: Er arbeitet im Ministerium für Zivile Angelegenheiten und kümmert sich um die Komitees, die in den verschiedenen Sektoren mit den Israelis zusammenarbeiten. "Ich hasse diese Arbeit", sagt er, "ich habe jeden Tag am Telefon mit Israelis zu tun". Nader ist Vorstandsmitglied der Fatah-Jugend in Ramallah. Auch er glaubt, dass der Kampf gegen die Besatzung weitergehen wird. "Wir hier im Vorstand sind alle etwa 30 Jahre alt und haben noch keinen guten Tag in unserem Leben gesehen. Wir leben in Armut und Chaos und Angst. Die Israelis haben alles: Einen eigenen Staat, ein gutes Leben. Wir wollen in Frieden in unserem eigenen Staat leben." Auch die Toten und Schwerverletzten auf palästinensischer Seite lassen die beiden Fatah-Jugendführer nicht am Sinn des Widerstandes zweifeln. Hussam, sonst nicht um Antworten verlegen, schweigt kurz. "Wir zahlen einen sehr hohen Preis", sagt er dann, "aber wir leiden so oder so unter den Israelis, auch ohne Intifada."

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