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Am 31. Mai griff Israel die Gaza-Hilfsflotille an.

© dpa

Nahost-Konflikt: Ein Angriff, fünf Kommissionen

Israel duldet eine UN-Untersuchung der Attacke auf die Gaza-Flottille – die Türkei will eine Entschuldigung. Ausgestanden ist der Konflikt mit der Schaffung der UN-Kommission jedenfalls noch lange nicht.

Ein Name als Danksagung: Der Hamas-Regierungschef im Gaza-Streifen, Ismail Haniyeh, gibt seinem vor wenigen Tagen geborenen Enkelsohn den Vornamen Erdogan. Das sei eine Anerkennung für die Haltung des türkischen Ministerpräsidenten gegenüber Israel nach dem Angriff auf die Gaza-Hilfsflotte Ende Mai, ließ Haniyeh erklären. Nicht nur die Geste des Hamas-Anführers bestärkt die Erdogan-Regierung in ihrer harten Haltung im Streit um den israelischen Angriff auf die Gaza-Schiffe. Wie von Ankara gewünscht, setzten die UN jetzt eine internationale Untersuchungskommission zu dem Thema ein. Türkische Regierungspolitiker klopfen sich erfreut auf die Schulter. Doch möglicherweise wird sich nicht nur Israel scharfe Kritik von den Vereinten Nationen anhören müssen.

Zum ersten Mal erkenne Israel eine UN-Untersuchung an, verkündete Außenminister Ahmet Davutoglu stolz. Die Regierung von Benjamin Netanjahu hatte ihren Widerstand gegen die UN-Inspektion aufgegeben und beteiligt sich nun wie die Türkei an der Kommission, die von dem früheren neuseeländischen Regierungschef Geoffrey Palmer geleitet wird. Neben den Vertretern der Türkei und Israels arbeitet auch der scheidende kolumbianische Präsident Alvaro Uribe in dem Gremium mit, das kommende Woche seine Arbeit aufnehmen wird. Der erste Fortschrittsbericht soll Mitte September vorliegen.

Türkische Zeitungen werteten die Schaffung der Kommission am Montag als Kehrtwende Israels. Der jüdische Staat habe „sich den UN gebeugt“, lauteten die Schlagzeilen. Auch Davutoglu betonte, das Zustandekommen des Gremiums sei ein Zeichen dafür, dass jeder Staat auf der Welt dem Völkerrecht unterworfen sei.

Tatsächlich gehörte eine internationale Untersuchung des israelischen Angriffs vom 31. Mai zu den wichtigsten türkischen Forderungen. Ankara wirft Israel vor, neun unbewaffnete Aktivisten an Bord des Hilfsschiffes „Mavi Marmara“ in internationalen Gewässern getötet zu haben. Israel gibt den Mitgliedern der pro-islamischen türkischen Hilfsorganisation IHH die Schuld an der Eskalation. Nun sei zu hoffen, dass Israel der UN-Kommission erlaube, ungestört Informationen zu sammeln, sagte ein hochrangiger türkischer Diplomat dem Tagesspiegel.

Allerdings muss auch die türkische Seite mit kritischen Fragen der UN-Ermittler rechnen. Einige Aspekte der türkischen Hilfsaktion sind nach wie vor nicht geklärt. So sagten mehrere Politiker aus Erdogans Regierungspartei AKP ihre geplante Teilnahme an der Fahrt auf der „Mavi Marmara“ kurz vor der Abfahrt noch ab: Waren sie gewarnt worden?

Ohnehin dürfte sich die UN-Kommission mit der Frage befassen, warum die türkische Regierung die Aktivisten überhaupt losfahren ließ, obwohl Israel mit einem Gewalteinsatz gedroht hatte. Nach der Ankaraner Version der Ereignisse hatte die türkische Regierung die IHH-Delegation gebeten, auf die Reise zu verzichten, doch die Aktivisten wollten nicht hören. Davutoglu soll den israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak daraufhin gebeten haben, keine Gewalt anzuwenden. Von dem tödlichen Angriff der Israelis sei man deshalb völlig überrascht worden, hieß es in der türkischen Hauptstadt. Ob das den UN als Erklärung genügt, ist nicht sicher.

Ausgestanden ist der türkisch-israelische Konflikt mit der Schaffung der UN-Kommission jedenfalls noch lange nicht. Die Türkei besteht weiter auf einer Entschuldigung Israels sowie auf Schmerzensgeld für die Hinterbliebenen der neun Todesopfer. Für Entschädigungszahlungen sollen sich die Israelis nach türkischen Presseberichten offen gezeigt haben. Doch eine Entschuldigung lehnt Netanjahu strikt ab.

Netanjahu hätte die UN- und andere für Israel unangenehme Untersuchungen leicht verhindern können, wenn er sich nicht gegen die Einberufung einer mit allen Kompetenzen ausgestatteten staatlichen Untersuchungskommission gewehrt hätte. Dies tat er, um zu verhindern, dass an ihm, Verteidigungsminister Ehud Barak und der übrigen Regierungssitze Kritik geübt oder gar ihr Rücktritt gefordert werde.

Doch genau dies droht ihm nun vor allem intern. Anstatt einer staatlichen Untersuchungskommission setzen sich nun drei israelische und zwei internationale Kommissionen mit dem blutigen Geschehen auf der „Marvi Marmara“. Die militärische Untersuchung, bei der auch die Soldaten und Offiziere aussagten, durch den Ex-General und ehemaligen nationalen Sicherheitsberater Giora Eyland ist bereits abgeschlossen. Der Schlussbericht wird der öffentlichen Abklärungskommission unter dem ehemaligen Obersten Richter Terkel übergeben, der auch zwei ausländische Beobachter angehören.

Der Angriff auf die „Mavi Marmara“ ist nicht der einzige Streitpunkt zwischen den ehemals engen Verbündeten Türkei und Israel. Noch während die UN die Bildung der Untersuchungskommission bekanntgaben, wurde der israelische Botschafter in Ankara erneut ins türkische Außenministerium zitiert. Die Türken sind verärgert, weil Barak den neuen türkischen Geheimdienstchef Hakan Fidan als „Unterstützer Irans“ bezeichnet hat. Der Botschafter habe sich im Außenamt eine Standpauke anhören müssen, berichteten türkische Diplomaten. Von einer Rückkehr zu guten Beziehungen sind Türken und Israelis noch weit entfernt.

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