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Nahost-Konflikt: Neues Leben für die PLO

Statt des gewählten Parlaments hat das Exekutivkomitee der palästinensischen Dachorganisation die Regierung bestimmt. Demokratie scheint ohne Staat wenig funktionsfähig.

Der neue Gesandte des Nahostquartetts, Tony Blair, soll den Aufbau palästinensischer Institutionen vorantreiben. Das Nahosttreffen im Herbst, das US-Präsident George W. Bush angekündigt hat, soll die Palästinenser beim Aufbau demokratischer Institutionen unterstützen. Doch den Palästinensern fehlen nicht die politischen Einrichtungen. Ihnen fehlt ein Staat. Sie verfügen sogar über ein komplexes Netzwerk sich überlappender Institutionen, die jetzt teilweise gegeneinander ausgespielt werden.

So ist das Zentralkomitee der palästinensischen Dachorganisation PLO seit der Regierungskrise nach der Machtübernahme der Hamas in Gaza zu neuem Leben erwacht. Der Präsident der Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, der selbst dem PLO-Exekutivkomitee vorsitzt, setzte unter Umgehung des Parlaments eine Notstandsregierung ein, die das Zentralkomitee absegnete. Die Erklärung: Das Parlament der Autonomiebehörde sei „paralysiert“, damit sei das Exilparlament, welches das 130-köpfige Zentralkomitee der PLO bestimmt, einzig legitime Instanz der Palästinenser. Der Vorteil: Hier hat die Fatah von Abbas das Sagen, das Parlament der Autonomiebehörde dagegen beherrscht die Hamas. Am Mittwoch kam das PLO-Zentralkomitee erneut in Ramallah zusammen, um über Neuwahlen zu entscheiden.

Laut Verfassung kann der Präsident keine vorzeitigen Neuwahlen anordnen. Daher greift Abbas nun auf die PLO-Institutionen zurück, die international als die einzig legitime Vertretung der Palästinenser anerkannt sind. Die PLO vertritt eigentlich alle etwa neun Millionen Palästinenser und darf allein einen Friedensschluss mit Israel aushandeln. Aus dem PLO-Friedensschluss mit Israel war die Autonomiebehörde hervorgegangen, die für die lokale Administration der Menschen in den besetzten Palästinensergebieten zuständig ist. Die PLO dürfte die Auflösung der Autonomiebehörde beschließen. Aber Verfassungsänderungen oder die Ausrufung von vorzeitigen Neuwahlen fallen nicht in ihr Aufgabengebiet.

Die Institutionen der Autonomiebehörde sind in den vergangenen Jahren bereits reformiert worden. So wurde noch Jassir Arafat gezwungen, den Posten eines Premiers zu schaffen und die Machtfülle des Präsidenten einzuschränken. Die EU, einer der größten Geldgeber, hat seit 2002 erfolgreich mit den Palästinensern Transparenz in das Finanzwesen gebracht und beispielsweise ein einziges Konto unter Aufsicht des Innenministers eingerichtet, um die Zweckentfremdung von Geldern zu verhindern. Diese Reformen wurden nach dem Wahlsieg der Hamas im Januar 2006 von der EU teilweise rückgängig gemacht: So floss wieder mehr Geld direkt an den Präsidenten unter Umgehung der Regierung. Wenn das Parlament nicht funktioniert, liegt das auch daran, dass Israel durch Festnahmen von mehr als 40 Hamas-Abgeordneten die Mehrheitsverhältnisse verändert hat.

Die PLO ist nicht mehr repräsentativ für die palästinensische Bevölkerung. Immer schon von der Fatah dominiert, sind hier auch linke und säkulare Organisationen wie DFLP oder PFLP teilweise überproportional vertreten. Aber die Islamisten und die Hamas – jüngere Organisationen, die mittlerweile eine bedeutende Minderheit der Palästinenser vertreten – sind nicht in der PLO. Daher hatten sich die palästinensischen Fraktionen 2005 im Kairo-Abkommen darauf geeinigt, eine Integration der Hamas in die PLO anzugehen. Doch nun droht die PLO in alter Besetzung wiederbelebt zu werden, als Ersatz oder Ergänzung für die Autonomiebehörde.

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