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Politik: Nahost-Konflikt: Scharon: Arafat ist unser bin Laden

Im Nahost-Konflikt zeichnet sich eine Wiederaufnahme des Dialogs ab. Am Sonntag wollen sich offenbar der israelische Außenminister Shimon Peres und Palästinenserpräsident Jassir Arafat in Gaza treffen.

Im Nahost-Konflikt zeichnet sich eine Wiederaufnahme des Dialogs ab. Am Sonntag wollen sich offenbar der israelische Außenminister Shimon Peres und Palästinenserpräsident Jassir Arafat in Gaza treffen. Der amerikanische US-Außenminister Colin Powell hatte einen Tag nach den Terroranschlägen in den USA den israelischen Ministerpräsidenten Scharon und Arafat in Telefongesprächen aufgefordert, gerade in dieser Zeit "größter Spannungen in der Welt" den Gesprächsfaden wieder auf zu nehmen. In der israelischen Regierung gab es jedoch Widerstand gegen das geplante Treffen. Israel setzte indes die Offfensive gegen die Palästinenser fort.

Einem Bericht des israelischen Radios zufolge bezeichnete Scharon in dem Telefongespräch mit Powell Palästinenserpräsident Arafat als "Bin Laden". Wörtlich soll Scharon demnach gesagt haben: "Jeder hat seinen eigenen Bin Laden. Arafat ist unserer." Gleichzeitig bot Scharon den USA israelische Hilfe bei der Bildung einer internationalen Koalition gegen den Terror an.

Während Peres seit jeher für eine Serie von mindestens drei Treffen mit Arafat eintrat, gab Scharon seine Zustimmung dazu erst im Telefongespräch mit Powell, der darauf gedrängt habe und dessen Unterhändler ebenso wie zahlreiche Politiker der EU-Staaten sich seit Wochen um solche Verhandlungen bemühen. Powell führte in der Nacht zum Donnerstag mehrere Gespräche mit Scharon, Peres und Arafat, und forderte sie auf, die gegenwärtige weltweite Krise zu regionalen Fortschritten auszunützen. Der deutsche Aussenminister Joschka Fischer hatte bei seinem Besuch in der Region beiden Seiten die grundsätzliche Zustimmung zu einem Treffen Arafat-Peres abgerungen, doch hatten immer neue Terrorakte fortlaufend zu neuen Verschiebungen geführt.

Mehrere Minister vom rechtsnationalen und nationalistischen Regierungsflügel forderten Scharon auf, das geplante Treffen mit Arafat zu verhindern. Der als Vertrauter des früheren Regierungschefs Netanjahu geltende Minister Danny Naveh erklärte, ein solches Treffen käme einem "Koscher"-Stempel für Arafat gleich. Israel müsse jetzt dafür sorgen, dass Arafats Palästinensische Autorität das Hauptziel der internationalen Anti-Terror-Koalition abgebe. Laut Infrastrukturenminister Avigdor Lieberman kommt eine Treffen Peres-Arafat einer Preisverleihung an den Terror und dessen Anführer gleich. Sein Fraktionskollege von der "Nationalen Union", Touristikminister Rechavam Zeevy, betonte, dass ein solches Treffen von der arabischen Seite als Zeichen der Schwäche Israels missverstanden werde. Schließlich forderte auch der Chef der ethnisch-ultrareligiösen Shas-Partei, Innenminister Eli Yishai, Scharon im persönlichen Gespräch auf, Peres das Treffen zu untersagen.

Der Leiter des Palästinensischen Zentrums für Politik und Umfragen in Nablus, Khalil Shiqaqi, glaubt, dass der weltweite Schock über die Terroranschläge in den USA eine "Katalysatorwirkung" für beide Seiten im Nahostkonflikt haben könnte. Sie böten Arafat und Scharon die Möglichkeit, ihrem Publikum die Notwendigkeit von Verhandlungen schmackhaft zu machen, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Arafat müsse den Palästinensern klar machen, es gelte zu verhindern, dass Israel die Anschläge in den USA sonst ausnutzt, um militärisch noch stärker gegen die Palästinenser vorzugehen. Auch dürfe Israel keine Gelegenheit haben, sich an der Seite Amerikas als Opfer von Terror darzustellen. Jedes Selbstmordattentat wäre nach den jetzigen Ereignissen das Ende internationaler Unterstützung für die Palästinenser, glaubt Shaqiqi. Scharon dagegen könne den Verhandlungsgegnern im eigenen Lager sagen, dass auch Israel von Terroranschlägen dieser neuen Dimension bedroht sei. Daher müsse man jetzt wieder miteinander reden.

Nachdem in der Nacht auf Donnerstag eine Siedlerin nahe der palästinensischen Westbankstadt Kalkiliyah erschossen worden war, sprengte die israelische Armee eine Kommandatur palästinensischer Sicherheitskräfte in Jenin. Bei diesem Teil der nun schon drei Tage anhaltenden Großaktion in und um die nördlichste Westbank-Stadt sind nach palästinensischen Angaben drei Palästinenser getötet und 13 verletzt worden. Außerdem griffen israelische Truppen eine Trainingsbasis bei Jericho sowie palästinensische Stellungen bei Kalkiliyah und Salfit, nahe der Gross-Siedlung Ariel, an. Bei einem nächtlichen Angriff zweier Panzereinheiten auf Jericho wurden mindestens sieben Palästinenser verletzt, einer von ihnen schwer. Eine Straße, ein Haus und mehrere Strommasten wurden zerstört. Die israelischen Truppen zogen sich später aus Jericho zurück, blieben aber - genauso wie bei Dschenin - am Stadtrand stationiert und kreisten diese damit total ein. Am Donnerstagmorgen wurde ein 76-jähriger Palästinenser bei Ramallah von israelischen Soldaten erschossen, obwohl diese von ihm in keiner Art bedroht worden waren, weshalb die Armee eine interne Untersuchung angekündigt hat.

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