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Steini

© AFP

Nahost-Konflikt: Zwischen den Fronten

Außenminister Steinmeier gerät bei seiner Vermittlungsmission in Nahost um ein Haar unter Beschuss. Sein Vorschlag: Deutsche Experten sollen ägyptische Grenzsoldaten im Kampf gegen den Tunnelschmuggel trainieren.

Sie kommen aus zwei Welten und treffen fast gleichzeitig am Grenzterminal von Rafah ein. Der Krankenwagen-Konvoi mit roten Blinklichtern bringt Schwerstverletzte aus dem Kriegsgebiet von Gaza. Und der Mercedes-Konvoi mit blauen Blinklichtern bringt den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit seiner Delegation aus Kairo. Am blauen Himmel donnern im Zwei-Minuten-Takt israelische Kampfjets vorüber. Kurz vor der Ankunft der Deutschen jagen ihre Piloten eine erste Rakete direkt neben das Grenztor, der schwarze Rauch wabert langsam in den Hof. Der eine Pulk aus Sanitätern, Ärzten und Fahrzeugen lädt die Bombenopfer von den palästinensischen in die ägyptischen Krankenwagen um. Der andere Pulk mit dem weißhaarigen Minister in seiner Mitte rauscht ohne die Verletzten eines Blickes zu würdigen vorbei in das Gebäude des Grenzkommandanten.

Die rund zwanzig palästinensischen Ambulanzen waren nach zwei Stunden Fahrt vom Schifa-Hospital in Gaza-Stadt an der Grenze eingetroffen, mit in den Wagen sind auch die beiden norwegischen Ärzte Mads Gilbert und Erik Fosse. Als einzige europäische Mediziner haben sie seit Neujahr im Gazastreifen Verletzte versorgt und in abendlichen Telefonaten Medien in aller Welt über die Zustände vor Ort berichtet. Auf den Bahren auch diesmal wieder das gleiche schreckliche Bild: Menschen mit schweren Verbrennungen, zerfetzten Eingeweiden und amputierten Armen – Kinder, Jugendliche, Frauen, Männer und Alte.

Die letzten palästinensischen Krankenwagen haben gerade den Hof verlassen, als der deutsche Außenminister schließlich auf dem Dach des Abfertigungsgebäudes erscheint. Von hier aus kann man den Süden des Gazastreifens und Teile der Zeltstadt über den Tunnelschächten überblicken. Das erste Fernsehinterview für die Heimat hat gerade begonnen, als in der Nähe krachend die nächste Rakete einschlägt. „Wir hätten nicht hierher fahren sollen“, zischt einer der Sicherheitsbeamten. Unten wird hektisch mit den Mercedes-Karossen rangiert, die gepanzerte des Ministers so dicht wie möglich an das Gebäude herangefahren und mit laufendem Motor bereitgehalten. Doch Steinmeier lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und beantwortet weiter die Fragen. Inzwischen steht der Vollmond über dem Gelände, Laternen erleuchten den Hof, in das Röhren einer Drohne mischt sich der Krach der überfliegenden F-16-Bomber. Auf die Frage, ob nicht die von Deutschland mitgetragene Blockade des Gazastreifens die ganze Tragödie ausgelöst hat, will sich der Außenminister nicht einlassen. „Ich bin erschüttert über die Bilder von Toten und Verletzten“, sagt er. Die internationale Gemeinschaft habe „die verdammte Pflicht“, die Waffen zum Schweigen zu bringen. „Und wir müssen mit unserer Möglichkeiten dazu beitragen.“

So macht er den Vorschlag, eine deutsche Expertengruppe zu schicken, die ägyptische Grenzsoldaten im Kampf gegen Tunnelschmuggel trainiert – die Schließung der Tunnel ist inzwischen die Hauptforderung Israels für einen Waffenstillstand. Dazu gehört aber auch ein Infrastrukturprogramm für diesen vernachlässigten Zipfel des Sinai, der die Einkommensverluste für die Bevölkerung ausgleicht, wenn die profitablen Stollen dicht gemacht werden. „Wir Deutschen haben den Ruf, dass wenn wir eine Aufgabe übernehmen, es richtig machen“, hatte sich tags zuvor bereits der CDU-Außenexperte Eckart von Klaeden gebrüstet, der zwei Tage in Israel zu Besuch war. Deutschland könne als führende Nation in der Bergbautechnik beim Aufspüren, Verschließen und Sprengen von Tunneln für den Waffenschmuggel die technische Expertise liefern. Klaeden will dazu das Technische Hilfswerk (THW) nach Rafah schicken.

So reden die Deutschen dieser Tage viel von einem besseren Abdichten, wenig jedoch von der Öffnung der Grenze für die seit 18 Monaten eingesperrte Gaza-Bevölkerung. Auch sind Zweifel angebracht, ob ihre Bergbauexpertise vor Ort viel ausrichten wird. In der Stadt Stadt Rafah jedenfalls geht der Schmuggelbetrieb selbst nach den heftigen Bombardierungen der letzten beiden Tage ungerührt weiter. Nur am Freitag habe man einige Zeit nicht arbeiten können, sagt einer der Heizölwarte, „weil die Juden irgendetwas kaputt gemacht haben“. Am Samstag scheint alles wieder in Ordnung. Die Pumpe summt leise, in dem ummauerten Hof stehen sechs weiße Pick-Ups beladen mit Fässern, vor der Tür in den Gassen warten weitere vier. Die anderen Tunneleingänge für die festen Güter – Lebensmittel, Autoteile oder Waffen – befinden sich gut versteckt in den Häusern. In manchen Gassen deuten Abschnitte aus losem Sand, offenbar Reste eines Tunnelaushubs, auf Neugrabungen hin. Und ein mit Sand hochbeladener Mercedes-Kipper quält sich auch an diesem 15. Kriegstag Richtung Hauptstraße.

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