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Politik: Nahost: Krach unter Verwandten

In Damaskus, wo am Montag US-Außenminister Colin Powell in einer gepanzerten Limousine zum Treffen mit dem Staatschef Bachar Assad fuhr, hatten kurz zuvor noch erzürnte Syrer demonstriert. Ursprünglich hatten sie nur gegen Israels Militäroffensive in den Palästinensergebieten protestieren wollen.

In Damaskus, wo am Montag US-Außenminister Colin Powell in einer gepanzerten Limousine zum Treffen mit dem Staatschef Bachar Assad fuhr, hatten kurz zuvor noch erzürnte Syrer demonstriert. Ursprünglich hatten sie nur gegen Israels Militäroffensive in den Palästinensergebieten protestieren wollen. Doch am Ende des Marsches warfen sie ihre Steine auch auf die ägyptische Botschaft. Das Ereignis zeigt: Die Schuldzuweisungen weiten sich aus. Jordanien und Kairo, die Friedensverträge mit dem jüdischen Staat haben, werden zunehmend heftiger angegriffen. Sie werden zu Ersatz-Sündenböcken in der arabischen Welt.

Zum Thema Online Spezial: Nahost Fotostrecke: Der Nahe Osten zwischen Krieg und Friedensplänen Chronologie: Israels Einmarsch ins Westjordanland Immer lauter wird die Forderung, dass beide Staaten die diplomatischen Beziehungen zu Israel abbrechen sollen. Radikale Kritiker rufen gar nach einer Öffnung der langen Grenze zu den besetzten Palästinensergebieten, damit freiwillige Kämpfer und Waffen hinübergebracht werden können. Mit ihren Protesten sprechen die syrischen und andere arabische Demonstranten vor allem vielen Jordaniern aus dem Herzen. Denn öffentliche Kritik wird in Jordanien unterdrückt. So wurde in Amman die für Freitag geplante Großdemonstration verboten. Außerdem wurden ab dem Morgen in einem Radius von sieben Kilometern alle Zufahrtsstraßen zum Viertel Rabia, in dem die israelische Botschaft liegt, mit gepanzerten Fahrzeugen, Stacheldraht und bewaffneten Soldaten abgeriegelt. Die Straßen waren wie ausgestorben.

Und auch König Abdallah will sich auf politische Debatten nicht einlassen. Lieber konzentriert er sich auf die humanitäre Hilfe: So haben er und seine Frau Rania am Donnerstag persönlich, und natürlich vor Kameras, Hilfsgüter in einen Hubschrauber eingeladen. Der sollte Teil einer Luftbrücke zur abgeriegelten Stadt Ramallah sein. Landen durften die Hubschrauber dort aber bisher nicht.

Der ehemalige Senator und Architekt des jordanisch-israelischen Friedensvertrages, Jawad Anani, sieht zwar kurzfristig keine wirkliche Gefahr für das haschemitische Regime. Er fürchtet aber eine Destabilisierung Jordaniens als mittelfristige Folge der israelischen Offensive. Viele Araber glauben derzeit, so Anani, dass Jordanien sich diskreditiert, weil die Regierung trotz seiner Beziehungen offenbar keinerlei Einfluss auf Israel ausüben kann. "Die Gefahr kommt nicht von den Gegnern des Regimes, sondern von seinen Freunden", glaubt Anani. Er befürchtet auch, dass sich die Palästinenser in der Bevölkerung enttäuscht abwenden. Das hätte nicht zuletzt erhebliche Auswirkungen auf das Staatssäckl, denn die jordanische Wirtschaft wird von den palästinensischen Einwohnern dominiert. Schon jetzt wird die Kluft zwischen Jordaniern palästinensischer und transjordanischer Herkunft täglich tiefer, meint der Ex-Friedens-Unterhändler.

Auch der Leiter des Zentrums für Strategische Studien an der Universität Jordanien, Mustafa Hamarneh, ist besorgt. Er verteidigt zwar den Entschluss der Regierung, die Beziehungen zu Israel nicht abzubrechen und sich weiter für Normalisierung einzusetzen. Er wirft ihr aber vor, dass sie ihre Politik in der Öffentlichkeit nicht stärker verteidigt. "Den Medienkrieg in der arabischen Welt hat Jordanien bereits verloren", konstatiert der energische 49-Jährige.

Fatal wirke sich zudem jetzt aus, so Hamarneh, dass der verstorbene König Hussein die Demokratisierung nicht wirklich vorangetrieben hat. "Dann hätten wir heute neue gesellschaftliche Gruppen. Stattdessen kommt angesichts der aggressiven Politik Scharons die alte Garde wieder zum Vorschein, die Slogans von vor 1948 benutzt und das Existenzrecht Israels in Frage stellt."

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