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Abbas

© dpa

Nahost-Politik: Verhandlungen verhandeln

Um neue Friedensverhandlungen im Nahen Osten anzukurbeln, besuchte eine US-Delegation, zu der auch Vizepräsident Joe Biden gehörte, die Region. Welche Erfolgschancen hat diese neue Initiative?

Israelis und Palästinenser sollen nach dem Willen des amerikanischen Präsidenten Barack Obama wieder verhandeln. Auf welcher Ebene und in welcher Form auch immer. Auf den ersten Blick sind die Erfolgsaussichten aber gering.

US-Vizepräsident Joe Biden und der amerikanische Sonderbotschafter für den Nahen Osten, George Mitchell, sind im Heiligen Land. Sie sprechen separat, in Jerusalem mit Staatspräsident Schimon Peres und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, und in Ramallah mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Die Arabische Liga, die Exekutive der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, hat Abbas „grünes Licht“ gegeben für vier Monate indirekte Verhandlungen. Dies ermöglichte es Abbas, von seinen ultimativen Vorbedingungen – einem umfassenden Siedlungsbaustopp – abzurücken ohne das Gesicht zu verlieren. Doch dass nach dieser Zeit der Annäherung direkte, Erfolg versprechende Verhandlungen folgen, glaubt niemand. Saeb Erakat, Chefunterhändler der Palästinenser, ist wie der Sekretär der PLO-Exekutive Yasser Abed Rabo pessimistisch: Er sei sich sicher, so Erakat, dass Netanjahu nicht innerhalb der vier Monate mit der Grenzziehung für den zu bildenden palästinensischen Staat gemäß der Grenzlinie von 1967 einverstanden sei. Doch die Einigung über mindestens eines der drei zentralen Themen – Grenzziehung, Jerusalem, Flüchtlingsproblem – bildet die unabdingbare Voraussetzung für direkte Endstatusverhandlungen.

Aber es gibt auch eine positive Überraschung im Vorfeld der Verhandlungen. Die Palästinenser werden sich erstmals zu einem Gebietstausch mit Israel bereit erklären. Dabei verlangen sie ein „in seiner Größe identisches“ Gebiet wie jenes, das sie bis zum Sechstagekrieg 1967 hatten. In diesem Rahmen sind sie zu einem Tausch im Westjordanland in der Größenordnung von 1,9 Prozent bereit, womit Israel sich nur die wichtigsten Siedlungsblöcke einverleiben könnte.

Die Palästinenser gehen aber davon aus, dass sich Netanjahu ihren Vorschlägen verweigert. Einerseits, weil er erheblich mehr Land tauschen will, um rund 80 Prozent der 300 000 Siedler ins eigene Staatsgebiet zu integrieren. Und anderseits, weil er auf unüberwindbaren Widerstand gegen den Plan in seinen eigenen Reihen stoßen dürfte. Israel, so hoffen die Palästinenser, stünde als Friedensverweigerer da und müsste mit erheblichem Druck des gesamten Nahost-Quartetts (USA, EU, Uno und Russland) rechnen.

Netanjahu hatte sich bereits unter amerikanischem Druck widerwillig zum Prinzip der Zweistaatenlösung bekannt und seine Bereitschaft zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen erklärt. Doch dass es den Amerikanern gelingen könnte, ihm die für echte Fortschritte notwendigen Konzessionen abzuringen, glaubt so gut wie niemand in Jerusalem. Denn Israel – und die Palästinenser im Westjordanland –, so behaupten seine Leute, leben mit dem gegenwärtigen Status quo ganz gut. Außerdem will er die regierungsinterne Opposition ruhig halten. Denn für den Regierungschef ist der Ausbau seiner Macht mittels Stabilisierung der Regierung im ersten Regierungsjahr weitaus wichtiger als politischer Fortschritt. Wie wenig sich die israelische Regierung von der amerikanischen Initiative verspricht, zeigen symbolisch die kurz vor Bidens Eintreffen erteilten Baubewilligungen für 112 Wohnungen in der ultrareligiösen Siedlung Beitar Illit.

Höhepunkt der US-Bemühungen ist nun die Visite des im Nahen Osten als wichtigster Außenpolitiker angesehenen Biden. Präsident Obama, so erklärte man sich in Jerusalem und Ramallah die neue amerikanische Verhandlungsinitiative, ist nach einem Jahr im Amt von der arabischen Reaktion auf seine Avancen enttäuscht. Er sei zur gleichen Ansicht wie seine Vorgänger gelangt, dass nur, wenn er den strategischen Partner Israel hätschelt, Verhandlungen möglich sind.

Mit einer Beobachterrolle werden sich die USA aber nicht begnügen. Man werde sich aktiv mit eigenen Vorschlägen einschalten, erklärte Biden. Allerdings: Wären die Chancen größer, so wäre wohl Obama selbst in die Region gekommen und hätte den Startschuss abgegeben. Ein Besuch Obamas könnte aber im Herbst folgen – unmittelbar vor den für ihn extrem wichtigen Kongresswahlen, bei denen er auf die Unterstützung der jüdischen Wähler für die Demokraten hofft.

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