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Nahost: Syrische Netzwerke

Bislang ist nicht bekannt geworden, was sich am Sonntag in dem staubigen Grenzdorf Abu Kamal acht Kilometer auf syrischem Gebiet tatsächlich abgespielt hat. Ein zittriges Handyvideo zeigt schwarze US-Hubschrauber, die im Tiefflug über die Häuser donnern.

Ein Anwohner will beobachtet haben, dass die Angreifer auch zwei Männer verhaftet und mitgenommen haben. Die syrische Regierung behauptet, es seien acht Zivilisten, darunter mehrere Kinder und ihr Vater, getötet worden. Die amerikanische Seite lässt durchsickern, man habe endlich einen gewissen Abu Ghadiyah und seine Leibwächter erledigt, einen aus Mossul stammenden Extremisten, der seit Jahren Selbstmordattentäter in den Irak schleust.

Auf jeden Fall wirft die martialische Kommandoaktion ein Licht auf die dubiose Rolle Syriens in dem Geschäft mit dem grenzüberschreitenden Terror. „Sie wissen ganz genau, dass wir gegen Al Qaida sind und versuchen, unsere Grenze mit dem Irak besser zu kontrollieren“, empörte sich der syrische Außenminister Walid al Muallim am Montag während seines Besuches in London. Das räumen auch amerikanische Generäle ein. Nach ihren Erkenntnissen sickern pro Monat nur noch etwa 20 Gotteskrieger von Syrien aus in den Irak ein, vor zwei Jahren waren es noch über 100. Auf syrischem Boden allerdings können sich Extremisten von Al Qaida relativ offen bewegen und nach Anschlägen in Deckung gehen. Im Mai ermordete Abu Ghadiyah mit seinen Gefolgsleuten in einem irakischen Grenzort zwölf Polizeianwärter, einige wurden bestialisch enthauptet. Irakische Einheiten jagten den Tätern nach, am Schlagbaum zu Syrien war dann Schluss. Nach der Hubschrauberattacke stellte Bagdads Regierungssprecher Ali al Dabbagh ausdrücklich einen Zusammenhang zu der damaligen Mordtat her: „Der Irak hatte Syrien aufgefordert, diese Gruppe auszuliefern, die Syrien als Basis für ihre terroristischen Aktivitäten nutzt“, sagte er. Als nichts geschah und Hinweise auf weitere Attentatspläne eingingen, entschloss sich das US-Oberkommando offenbar zu dem Luftangriff.

Wie diese syrischen Netzwerke aus religiösen Fanatikern, professionellen Schmugglern und korrupten Geheimdienstbeamten funktionieren, zeigen umfangreiche Dokumente, die die amerikanische Armee vor etwa einem Jahr in einem Al-Qaida-Unterschlupf in der Stadt Sinjar gefunden hat. Darunter waren die „Personalakten“ von 590 aus Syrien eingeschleusten Gotteskriegern – fein säuberlich unterschieden in Selbstmordattentäter und Kämpfer. Die meisten stammen aus Saudi-Arabien und Libyen, viele aber auch aus Syrien, Marokko, Algerien und dem Jemen, wie das „Zentrum für Terrorbekämpfung“ der US-Militärakademie West Point in seiner Auswertung schreibt. Etwa 100 syrische Schleuser versorgen die Gotteskrieger mit Waffen, Sprengstoff und Pässen und transportieren sie zu konspirativen Unterkünften in Grenzorte wie Abu Kamal, wo auch der jetzt angeblich getötete Abu Ghadiyah operierte. Bis zu 2500 Dollar verlangen sie für ihre Dienste. Für den Übertritt in den Irak heuert Al Qaida dann professionelle Stammesschmuggler an.

Die Autoren der Studie sind überzeugt, dass die syrische Regierung immer wieder Anstrengungen unternimmt, diesen Terrortransfer zu unterbinden. Doch sei die Grenzregion immer schon „erstaunlich unabhängig“ von der Kontrolle der Zentralregierung gewesen, schreiben sie. Auf amerikanischen Druck hin habe Damaskus den Grenzzaun repariert, in regelmäßigen Anständen Wachtürme aufgestellt und sie mit jeweils drei Wehrpflichtigen bemannt. Die Grenzsoldaten aber haben weder Funkgeräte noch Nachsichtausrüstung – alle sieben Tage kommt ein Lastwagen mit Verpflegung vorbei. Kein wirkliches Hindernis für die Profischmuggler vor Ort.

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