zum Hauptinhalt

Politik: Nahost: Szenen einer Verhandlung. Warum scheiterten vor einem Jahr die Verhandlungen von Camp David?

Der Kampf um Palästina wird derzeit allein mit Waffen ausgetragen. Militärisch wird dieser Konflikt jedoch nie gelöst werden, die Rückkehr zu Verhandlungen ist unausweichlich.

Der Kampf um Palästina wird derzeit allein mit Waffen ausgetragen. Militärisch wird dieser Konflikt jedoch nie gelöst werden, die Rückkehr zu Verhandlungen ist unausweichlich. Sollen diese erfolgreich sein, kommt es nicht zuletzt auf die Analyse des Scheiterns früherer Verhandlungen an. Den erbitterten Kampf um die Deutungshoheit darüber, was seit Oslo und insbesondere in Camp David im Vorjahr schief gelaufen ist, haben bisher die israelische und die amerikanische Regierung weitgehend für sich entschieden. Die Welt hat die These übernommen, dass der israelische Premier Ehud Barak in Camp David den historischen Kompromiss vorgelegt hat, der von Palästinenserführer Jassir Arafat bedenkenlos vom Tisch gewischt wurde. Arafat habe damit bewiesen, dass er am Frieden nicht interessiert sei. Er habe darauf die Intifada angezettelt, um sein "Nein" in Camp David nachträglich zu rechtfertigen.

Diese Version wird nun ausgerechnet in der pro-israelischen "New York Times" in Frage gestellt. Der Nahost-Experte des Nationalen Sicherheitsrates unter Präsident Clinton, Robert Malley, hat dort die Schuld auf die Schultern aller Beteiligten verteilt. Zwar zeigte auch er sich in Camp David "verzweifelt" über die Unfähigkeit der Palästinenser, den von Barak aufgebrachten "Mut" zu würdigen. Doch gleichzeitig will er "gefährliche Mythen" aus der Welt schaffen.

So habe Israel nicht den "Traumvorschlag" unterbreitet, den die Palästinenser einfach hätten akzeptieren müssen. Israel habe neun Prozent der besetzten West-Bank annektieren wollen und im Gegenzug den Palästinensern Landstücke angeboten, die lediglich ein Prozent des annektierten Landes ausmachten. Israel habe außerdem auf die Souveränität über Teile des arabischen Ost-Jerusalems bestanden. Die Angebote seien sicher weiter gegangen als frühere israelische Vorschläge. "Aber das Maß der Konzessionen Israels sollte nicht an den eigenen Ausgangspositionen Israels gemessen werden, sondern daran, wie eine faire Lösung aussehen könnte."

Außerdem unterstreicht Malley, der bei den Verhandlungen anwesend war, dass die Palästinenser ihrerseits bereits große Konzessionen gemacht haben. Ihr Streben gilt einem palästinensischen Staat in den Gebieten, die Israel im Juni 1967 besetzt hat, einem Bruchteil des historischen Palästina. Sie stimmten der Annektierung von besetztem Land zu, um Israel die Integration von Siedlungsblöcken zu ermöglichen. Sie akzeptieren die israelische Hoheit über das jüdische Viertel Ost-Jerusalems, das Israel erst 1967 erobert hat. Und in der Flüchtlingsfrage hätten sie sich dafür ausgesprochen, die Zahl der Rückkehrer zu begrenzen, um die demographischen und sicherheitspolitischen Interessen Israels zu wahren.

Zuvor war bereits die Mitarbeiterin der "New York Times", Deborah Sontag, in einer ausführlichen Recherche zu dem Schluss gekommen, dass Arafat "nicht die alleinige Verantwortung dafür trägt, dass die Friedensbemühungen zusammengebrochen sind". Sie hat mit vielen Beteiligten gesprochen und kommt zu dem Ergebnis, dass nicht das Scheitern von Camp David im Juli 2000, sondern die Wahl Ariel Sharons im Februar 2001 die Friedensverhandlungen beendet hat. Als Beweis führt sie an, dass die in Camp David begonnenen Verhandlungen im Januar dieses Jahres in Taba fortgesetzt wurden. Dort seien die Israelis den Palästinensern auch weiter entgegengekommen, indem man einen Gebietsaustausch im Verhältnis sechs zu drei vorgeschlagen habe. Auch seien den Palästinensern in Taba Rechte am Luftraum über ihrem zukünftigen Staat und die Souveränität über alle arabischen Viertel Ost-Jerusalems zugestanden worden. Damit sei Baraks Behauptung von Camp David, weiter könne Israel nicht gehen, widerlegt worden.

Der israelische Mitinitiator der Geheimverhandlungen von Oslo im Jahr 1993, Ron Pundak, macht in einem Memorandum vom Juni nicht nur den Palästinensern, sondern auch den israelischen Regierungen unter Netanjahu und Barak sowie der US-Regierung Vorwürfe. Die Schelte Arafats, die Clinton betrieb, sei ein "Fehler" gewesen.

Der UN-Beauftragte für Nahost, Terje Roed-Larsen, meint, dass Camp David "eher an der Psychologie und der Vorgehensweise gescheitert ist als in der Substanz". Auch wenn niemand glaubt, dass unter Scharon die Verhandlungen fortgesetzt werden, zeigen sich ehemalige Unterhändler optimistisch. In einem gemeinsamen Aufruf in der "New York Times" beteuern der frühere israelische Justizminister Yossi Beilin und der palästinensische Kultur- und Informationsminister Yassir Abed Rabbo, dass eigentlich nur Zeit gefehlt hat, um im Anschluss an die Taba-Gespräche eine endgültige Vereinbarung zu treffen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false