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Nahost: US-Vizepräsident: Baupläne Israels untergraben das Vertrauen

US-Vizepräsident Joe Biden lobt den Mut und die Entschlossenheit von Palästinenserchef Abbas, einen eigenen Staat aufzubauen – und sagt Unterstützung zu.

Kaum angekündigt, sind die indirekten israelisch-palästinensischen Annäherungsgespräche unter amerikanischer Obhut bereits gefährdet. Mit Vehemenz protestierten der in der Region zu Besuch weilende US-Vizepräsident Joe Biden und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas am Mittwoch gegen die neuesten israelischen Baupläne im annektierten Ost-Jerusalem.

Abbas und Biden gaben am Nachmittag in Ramallah eine bemerkenswerte Pressekonferenz – sie teilten kein einziges Wort über das vorher geführte Gespräch zwischen ihnen mit. Ob die Palästinenser die vom amerikanischen Sondergesandten für den Nahen Osten, George Mitchell, am Montag angekündigten indirekten Verhandlungen mit Israel aufnehmen werden oder nicht, stand demnach noch nicht fest. Tatsächlich hängt dies wohl von der Botschafterkonferenz der Arabischen Liga ab, die auf Wunsch von Abbas für Mittwochnacht einberufen worden ist. Die Arabische Liga hatte in der vergangenen Woche Abbas grünes Licht für die indirekten Verhandlungen gegeben. Das könnte sie folglich nun auch wieder rückgängig machen.

Abbas forderte die Annullierung der israelischen Baubeschlüsse, welche die Verhandlungen gefährdeten. Er rief die Israelis auf, ihre Siedlungsaktivitäten zu stoppen und nicht zu versuchen, immer neue Fakten zu schaffen. Biden beschuldigte Israels Regierung, die für sinnvolle Gespräche notwendige Vertrauensbasis zu untergraben. Er fand starke Worte für einen palästinensischen Staat und lobende für die Entschlossenheit und den Mut von Abbas und Ministerpräsident Salam Fajad, ihren Staat trotz aller Widrigkeiten aufzubauen. Die USA würden sich an die Seite derjenigen stellen, die den zu Fortschritten notwendigen Mut aufbrächten.

Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erakat verlangte in einem Fernsehinterview von Mitchell, nächste Woche konkrete Lösungsvorschläge für die durch die israelischen Baubewilligungen ausgelöste Krise mitzubringen. Solange diese Baupläne gälten, bestünden keinerlei Erfolgsaussichten für Verhandlungen.

Am Vorabend hatte Biden erwogen, das intime nächtliche Essen mit Israels Ministerpräsident Netanjahu und dessen Gattin abzusagen. Schließlich erschien das Ehepaar Biden demonstrativ mit anderthalb Stunden Verspätung. In der Zwischenzeit veröffentlichte Biden einen scharfen Protest gegen die israelischen Baubewilligungen, die sich auf 1600 Wohneinheiten auf Ost-Jerusalemer Gebiet beziehen. In Ramallah verwies Biden am nächsten Tag ausdrücklich auf diesen Protest.

Netanjahu bedauerte den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Baubewilligungen. Und selbst der dafür ministeriell zuständige ultrareligiöse Innenminister Eli Jishai befand: „Der Zeitpunkt ist nicht klug.“ Doch die Baupläne an sich wurden von beiden verteidigt, da es sich um Jerusalem handle, das nicht unter den Teil-Baustopp für Siedlungen falle. Mit der gleichen Begründung wiesen Politiker aus dem nationalen Lager alle internationalen Proteste zurück.

In Netanjahus Umgebung ging man sogar zum Gegenangriff über. Abbas habe die Bitte von Netanjahu und von Außenminister Lieberman ignoriert, die noch für diese Woche vorgesehene Benennung eines Platzes in Ramallah nach einer palästinensischen Terroristin abzusagen. Netanjahu habe diese Bitte über US-Vermittler Mitchell übermittelt. Die Terroristin war vor mehr als 30 Jahren am Überfall auf einen Autobus beteiligt, bei dem 35 Israelis getötet wurden.

Die regionale Baukommission von Jerusalem hatte am Dienstag Baubewilligungen für 1600 Wohneinheiten im ultrareligiösen Ramat-Schlomo-Viertel erteilt. Dieses liegt auf annektiertem und ins Stadtgebiet von Jerusalem eingemeindetem palästinensischen Territorium. Die Neubauten kommen auf das Gebiet zwischen dem bestehenden Viertel und dem großen arabischen Quartier Schuafat mit dem Flüchtlingslager. Erscheint schon die Anzahl der geplanten Wohnungen auf den ersten Blick groß, wird der jüdische Bevölkerungszuwachs in direkter palästinensischer Nachbarschaft immens sein. Denn die durchschnittliche Größe einer ultrareligiösen Familie in Ramat Schlomo liegt bei 8,9 Personen. Rechnet man diese auf die Neubauten hoch, kämen etwa 15 000 ultrareligiöse Juden hinzu.

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