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Trügerische Idylle. Ein israelisches Ehepaar betrachtet den Bau neuer Siedlungen auf besetztem palästinensischem Land in Ost-Jerusalem. Foto: Jim Hollander/dpa

© dpa

Nahostkonflikt: "1100 Mal Nein zum Frieden"

Israelis und Palästinenser werden der neuen Friedensverhandlungsinitiative des Nahost-Quartetts zustimmen, allerdings mit Vorbehalten – und verbunden mit neuem Ärger.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu unterrichtete den Achter-Rat der führenden Minister noch Dienstagnacht darüber, dass er dazu tendiere, den Appell des Quartetts (USA, EU, UN und Russland) positiv zu beantworten. Er glaube aber nicht, dass der vom Quartett vorgeschlagene Zeitplan einzuhalten ist: direkte israelisch-palästinensische Verhandlungen mit Beginn innerhalb eines Monats, Vorschlägen für eine Grenzziehung und Sicherheitsgarantien innerhalb von drei Monaten und ein Friedensvertrag bis Ende 2012.

Die Palästinenserführung, deren Mitglieder ursprünglich sehr skeptisch bis schroff ablehnend auf den Quartett-Fahrplan reagiert hatten, dürfte diesem aber trotzdem, wahrscheinlich bereits am Donnerstag, zustimmen. Vor allem kritisierten Sprecher aus der engen Umgebung von Präsident Mahmud Abbas, dass das Quartett den Stopp aller israelischen Siedlungsaktivitäten nicht als Vorbedingung für die Wiederaufnahme der Verhandlungen nach zweieinhalb Jahren genannt hatte. Vielmehr beließen es die Vier bei einem Appell an beide Seiten, auf Provokationen zu verzichten. Die jüngst erlassenen Baubewilligungen für 1100 Wohnungen im annektierten arabischen Ost-Jerusalem werden aber als genau das selbst von den engsten Freunden Israels schärfstens kritisiert.

Der dem ultrareligiösen und nationalistischen Innenminister Eli Yishai unterstehende Planungs- und Bauaussschuss des Jerusalemer Distrikts hatte am Dienstag dem Ausbau zugestimmt. Die 1100 Wohneinheiten sollen im Jerusalemer Außenquartier Gilo entstehen, das sich jenseits der ursprünglichen „grünen Linie“, der Grenze zwischen israelischem Staatsgebiet und Westjordanland, befindet. Gilo liegt südöstlich Jerusalems direkt dem palästinensischen Bethlehemer Vorort Beth Jallah gegenüber und wurde auf Land meist christlicher palästinensischer Bauern errichtet, die danach in ihrer großen Mehrheit nach Chile emigrierten. Noch am Tag vor dem Baubeschluss hatte das Internationale Rote Kreuz (IKRK) erneut festgestellt, dass die Vertreibung palästinensischer Zivilisten gemäß der vierten Genfer Konvention völkerrechtswidrig sei, genauso wie die Annektierung Ost-Jerusalems und der Siedlungsbau.

Das Nahost-Quartett reagierte empört. Der amerikanische Präsident Barack Obama wünschte persönlich und auf Hebräisch per Video Israel ein gutes Neues Jahr, doch sein Sprecher Jay Carney erklärte sich beinahe gleichzeitig im Namen des Weißen Hauses „zutiefst enttäuscht“ über die Baubewilligungen, eine Verurteilung, wie sie fast wortgleich auch EU- Außenministerin Catherine Ashton vorbrachte, sie äußerte tiefes Bedauern und forderte Israel auf, den Plan zu überdenken. US-Außenministerin Hillary Clinton wurde noch deutlicher: „Die Bauaktivitäten in (Ost-)Jerusalem unterminieren das Vertrauen“. Erwartungsgemäß attackierte der wortgewaltige palästinensische Chefunterhändler Saeb Erakat Israel am schärfsten: Die Siedlungsaktivitäten zerstörten die Basis für die Zwei- Staaten-Lösung des Konfliktes. Israel sage mit den neuen Baubewilligungen „1100 Mal Nein“ zum Fahrplan des Nahost-Quartetts.

Netanjahu und Außenminister Avigdor Lieberman werden wohl in den nächsten Tagen und Wochen versuchen, nachdem sich der internationale Proteststurm etwas gelegt hat und falls die vorgeschlagenen direkten Verhandlungen erwartungsgemäß nicht fristgerecht beginnen, den „schwarzen Peter“ den Palästinensern zuzuschieben. Dies mit der Begründung, dass die Gegenseite nach wie vor auf einem Siedlungsbaustopp als Vorbedingung beharre, obwohl von Israel kein solcher verlangt worden sei.

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