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Ein kleiner Junge während der Feierlichkeiten zum 70. Unabhängigkeitstag des jüdischen Staates

© dpa/Nir Alon

Nahostkonflikt: Deutschland muss sein Verhältnis zu Israel klären

Netanjahus Vorwürfe wegen Teherans Atomprogramm sollten auf ihre Stichhaltigkeit geprüft werden. Zumal Iran sein Raketenprogramm vorantreibt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Dieser Tage geht es mehr als seit Jahrzehnten um das grundsätzliche Verhältnis Deutschlands zu Israel. Denn es passiert einfach zu viel im Nahen Osten, um sich dessen nicht zu vergewissern. Und das ausgerechnet im Jahr 70 der Staatsgründung Israels, dem Holocaust geschuldet, der Ermordung von sechs Millionen Juden durch NS-Deutschland und seine Helfer – in einem Jahr, in dem eigentlich vor allem gefeiert werden sollte.

Was die Sache noch schwieriger macht: Der Staat Israel ist weiter existenziell bedroht. Er ist eben nicht von Freunden umzingelt, sondern hat Feinde, die ihn nach wie vor auslöschen wollen. Die dazu ihre Mittel ausbauen, ihre Waffen schärfen – zum Beispiel die Terrororganisation Hisbollah vom Libanon aus oder die palästinensische Hamas von Gaza aus. Und hinter beiden steht: der Iran.

Als wäre das noch nicht gefährlich genug, gibt es dazu zwischen Israel und dem Iran den Konflikt in und über Syrien. Es ist ein unerklärter Krieg, der auch deshalb geführt wird, weil der Iran geografisch an das von seinen Mullahs verteufelte Israel heranrücken will, Israel aber genau das aus Sicherheitsgründen nicht zulassen darf. Die Existenzfrage des Staates ist somit genau das: existenziell. Es geht ums Überleben.

Das anzuerkennen heißt nicht, alle jüngsten Vorwürfe des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu wegen des Teheraner Atomprogramms nachzubeten. Sondern bedeutet, darauf zu dringen, dass ihre Stichhaltigkeit schnell geprüft wird. Auch zur Selbstvergewisserung. In dem Konvolut an Dokumenten könnte der ultimative Beweis lauern, dass die Mullahs beim Abschluss des Atomabkommen mit den USA und der EU gelogen haben. Zumal vor dem Hintergrund, dass die EU schon beim Abschluss davon ausgegangen ist, Teheran nicht trauen zu können.

Der Iran treibt sein Raketenprogramm voran

Wer diese Überprüfung nicht vorantreibt, setzt sich dem Verdacht aus, er wolle es lieber nicht so genau wissen. Weil sonst ein Vertragsschluss auch schwer zu begründen wäre. Oder ist der Iran vor allem ein willkommener potenter Handelspartner? Ihn international überprüfen zu lassen, ist ohnehin nur das Mindeste: um herauszufinden, ob es eine Tatsache ist, dass Teheran nicht alles angegeben hat, was es hätte angeben müssen. Vertrag soll doch Vertrag sein. Vertrauenswürdige Partner haben damit kein Problem. Tatsache ist allerdings, dass der Iran unverändert ein Raketenprogramm vorantreibt. Was dann besonders Sinn ergibt, wenn er nach Ablauf des Atomvertrags 2025 auf das zurückgreift, was er vorher erforscht und gebaut hat.

Aber damit nicht genug. Dass außerdem Palästinenserpräsident Mahmut Abbas erklärt – immer wieder seit den 1980er Jahren –, die Juden seien mit ihrem Verhalten selbst schuld am Holocaust, lässt Hamas und Fatah nicht gerade zwingend als Friedenspartner erscheinen. Im Gegenteil, da wird Skepsis provoziert. Hier nun richtet sich der Blick endgültig auf die deutsche Politik. Der neue Außenminister Heiko Maas sagt, er sei „wegen Auschwitz“ in die Politik gegangen. Nie wieder Auschwitz, das heißt heute: Schalom Israel. Vor dem Hintergrund müssen eine Menge Fragen neu vorgelegt werden. Wenn Israels Sicherheit Staatsräson ist, was heißt das konkret?

Wie weit hat das iranische Raketenprogramm Auswirkungen auf das bilaterale Verhältnis? Erwägt die Regierung, angeführt von Angela Merkel, von der das Wort „Staatsräson“ stammt, Sanktionen? Im europäischen Rahmen oder notfalls einseitig? Was tut Berlin, um dem Eindruck in Israel zu wehren, dass es den Behauptungen des Teheraner Regimes mehr Plausibilität zubilligt als den Vorwürfen der Jerusalemer Regierung? Werden Abbas’ Äußerungen ohne Folgen bleiben, auch für die Gewährung erheblicher finanzieller Mittel an die Palästinensische Autonomiebehörde?

Die Antworten sind es, die das Verhältnis zu Israel bestimmen werden, weit über das Jahr 70 hinaus.

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