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Der Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv.

© Jack Guez/AFP

Nahostkonflikt: US-Studentin darf nicht nach Israel einreisen

Eine 22-jährige Amerikanerin sitzt am Airport in Tel Aviv fest. Ihr werden „Boykott-Aktivitäten“ vorgeworfen

Mehr als eine Woche befindet sich Lara Alqasem bereits in einer Art Wartezustand. Sie hat ihre Heimat USA verlassen, ist aber bis heute nicht richtig an ihrem Zielort Israel angekommen. Seit Dienstag vergangener Woche sitzt die 22-jährige Studentin auf dem Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv fest. Die Sicherheitsbehörden und das Ministerium für strategische Angelegenheiten wollen sie nicht einreisen lassen – trotz eines einjährigen Visums, das ihr das israelische Konsulat in Miami erteilt hat. Und trotz eines Studienplatzes an der Hebräischen Universität in Jerusalem, wo sie ihren Master in Menschenrechtsstudien absolvieren will. Die Sicherheitsbehörden werfen der Amerikanerin mit palästinensischen Großeltern „Boykott-Aktivitäten“ vor.

Rein rechtlich darf Israel bestimmten Unterstützern sogenannter Boykott- Desinvestitions-und Sanktions-Kampagnen (BDS) die Einreise verweigern. Ein im März 2017 verabschiedetes, höchst umstrittenes Gesetz bietet dafür die Grundlage. In einigen Fällen sind an der Grenze bereits BDS-Anhänger wieder nach Hause geschickt worden. Alqasem aber, eine junge Frau mit Brille, Nasenring und kinnlangen dunkelbraunen Haaren, konnte noch nicht endgültig abgewiesen werden. Sie hat bereits zum zweiten Mal Berufung eingelegt und wartet auf einen weiteren Gerichtstermin. So lange muss sie in einer Einrichtung auf dem Flughafengelände ausharren.

"Mangelnde Koordination" zwischen Miami und Israel

Der Fall erregt Aufsehen. Und er zeigt, wie tief gespalten das Land ist, wenn es um die Frage geht, wo Meinungsfreiheit aufhört, ob und wann jemand tatsächlich Boykott-Unterstützer ist und damit eine Gefahr für die Sicherheit des Landes und inwiefern das neue Gesetz es rechtfertigt, bereits ausgestellte Visa wieder einzukassieren. Denn genau das ist im Falle von Lara Alqasem zunächst passiert. Sie hatte alle Einreisedokumente und durfte dennoch die Grenze nicht passieren. Wieso, fragen sich viele, hat das Konsulat in den USA überhaupt ein Visum ausgestellt, wenn Alqasem gegen die Einreisebestimmungen verstößt? Berichtet wird von „mangelnder Koordination“ zwischen Miami und Israel. Die Mitarbeiter in den USA hätten nichts von Alqasems Aktivitäten gewusst.

Für Gilad Erdan, Minister für strategische Angelegenheiten (Likud), ist die Sache klar: „Wie jede andere Demokratie hat Israel das Recht, ausländischen Staatsangehörigen die Einreise zu untersagen, vor allem jenen, die daran arbeiten, dem Land zu schaden“, schrieb er auf Twitter. „Sie ist eine Boykott-Aktivistin, die Israel und seinen Unternehmen schaden will, welche Tausenden Bürgern den Lebensunterhalt sichern.“ Alqasem sei die Direktorin einer Ortsgruppe von „National Students for Justice in Palestine“ (SJP) gewesen, Erdan zufolge eine der „extremsten, hasserfülltesten BDS-Gruppen in den USA“. Nach Recherchen der Tageszeitung „Haaretz“ berufen sich die Behörden und damit auch Minister Erdan auf Angaben der kontroversen Organisation Canary Mission, die auf ihrer Webseite Personen listet, die zum Boykott Israels aufrufen und nach Ansichten von Canary Mission „Hass gegen die USA, Israel und Juden auf nordamerikanischen CollegeCampussen“ verbreiten.

Alqasem hat noch eine Chance

Das sehen nicht alle so. Abgeordnete der kleinen Linkspartei Meretz haben ihre Solidarität mit der Studentin bekundet und sie in der Einrichtung auf dem Flughafen besucht. Die Politikerin Tamar Zandberg twitterte: „Israels Grenzen sollten die einer liberalen Demokratie sein, ohne Gedankenpolizei.“ Ihr Parteikollege Esawi Freij schrieb: „Ich hoffe, dass das Gericht verstehen wird, dass jeder, der sich an einer israelischen Universität einschreibt, Israel nicht boykottiert.“

In ihrer ersten Anhörung bestritt Alqasem zwar nicht ihre Rolle in der Organisation, sie habe aber nichts mit BDS-Kampagnen zu tun gehabt, sie sei seit April 2017 nicht mehr Mitglied und befürworte BDS heute nicht mehr. Mittlerweile hat sich sogar der Senat der Hebräischen Universität eingeschaltet und will sich nun der Berufung vor Gericht anschließen. Einer Stellungnahme zufolge sieht der Senat in Erdans Entscheidung, die Studentin nur aufgrund ihrer Ansichten nicht ins Land zu lassen, eine Gefahr für das, wofür die Universität stehe.

Minister Erdan sah am Dienstag immerhin noch eine Chance: Wenn Lara Alqasem nicht mit zweideutigen Aussagen des Anwaltes, sondern in ihren eigenen Worten aussage, dass BDS illegitim ist und sie ihre vergangenen Aktivitäten bereue, könnte man noch mal über die Einreise nachdenken.

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