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Kerzen für die Toten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (l-r), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Angehörige von Opfern der Corona-Pandemie bei der nationalen Gedenkstunde für die Verstorbenen in der Corona-Pandemie im Berliner Konzerthaus

© dpa

Nationales Gedenken an die Corona-Toten: Wachsen an der Pandemie

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fand mitfühlende Worte in einer Gedenkzeremonie mit Hinterbliebenen und den Verfassungsorganen.

Nur 17 Teilnehmer zählte die nationale Veranstaltung zum Gedenken an die Corona-Toten wegen der aktuellen Fallzahlen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte am Sonntagmittag dazu ins Konzerthaus an den Gendarmenmarkt geladen. Die Stunde wurde im Fernsehen übertragen.

Im offenen Kreis verloren sich die Spitzen der Verfassungsorgane und die Hinterbliebenen mit ihren Begleitungen fast in dem Zuschauerraum. So wurde symbolhaft erkennbar, was Covid 19 ins Land gebracht hat: Einsamkeit, Isolation, dazu die grausamen Lücken, welche durch die rund 80.000 Toten allein in Deutschland bislang gerissen wurden. Weltweit starben drei Millionen Menschen. Auch ihrer sollte gedacht werden.

Im Mittelpunkt standen die Menschen, die einen einsamen und oft qualvollen Tod gestorben sind, aber auch diejenigen, die unter den Spätfolgen leiden, und all jene, die Sterbenden beigestanden haben. Den Hinterbliebenen, von denen viele vor verschlossenen Krankenhaustüren gestanden und vergeblich gefleht haben, ihre Lieben noch einmal sehen zu dürfen, räumte der Bundespräsident einen besonderen Platz ein: „Es gibt keine Worte für Ihren Schmerz. Aber wir hören Ihre Klage.“

Fünf Hinterbliebene kamen während der Gedenkstunde zu Wort und erinnerten stellvertretend für so viele andere an ihre Toten in der Pandemie. Im Anschluss an seine Rede begleitete der Bundespräsident Michaela Mengel, die ihre 23-jährige Tochter an Corona verloren hat, zu einem mit Blumen geschmückten zentralen Gedenkort in der Mitte des Raumes, an dem die Anwesenden nach und nach Kerzen aufstellten.

In der mitfühlenden Rede des Bundespräsidenten zu Beginn war eigentlich alles zur Sprache gekommen, was die Menschen im vergangenen Jahr bewegt hat. „Wir sind ermüdet von der Last der Pandemie und wundgerieben im Streit um den richtigen Weg“, sagte Steinmeier. „Auch deshalb brauchen wir einen Moment des Innehaltens.“

Die Politik habe schwierige, manchmal tragische Entscheidungen treffen müssen, um eine noch größere Katastrophe zu verhindern. In Großaufnahme wurde immer mal wieder Bundeskanzlerin Angela Merkel gezeigt, deren Gesichtsausdruck die Last der Verantwortung auf unerforschtem Terrain nur erahnen ließ. Neben dem Doyen des diplomatischen Corps, Erzbischof Nikola Eterovic, war auch der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Michael Müller, dabei.

Lichtblicke in dunkler Zeit

An diesem Tag, so bat Frank-Walter Steinmeier, solle es nicht um Schuldzuweisungen und Wut gehen. Er warb dafür, „noch einmal Kraft für den Weg nach vorn, heraus aus der Pandemie“ zu sammeln: „Lassen wir nicht zu, dass die Pandemie, die uns schon als Menschen auf Abstand zwingt, uns auch noch als Gesellschaft auseinandertreibt.“ Hoffnungslichter gab es nach seiner Beobachtung von Anfang an: „In allen Teilen unseres Landes waren Menschen füreinander da – und sind es immer noch.“ Gemeinsinn und Mitgefühl hat er als Lichtblicke in dunkler Zeit empfunden. Sie gibt ihm auch Hoffnung für die Zukunft: "Wir werden von der Pandemie gezeichnet sein, aber auch an ihr wachsen."

Appell zur Stärke

Anita Schedel sprach über ihren verstorbenen Mann, einen Arzt und appellierte: „Bleiben Sie stark und zuversichtlich.“ Esrin Korff-Avunc erinnerte an ihren Vater Necdet Avunc, der 81 Jahre alt wurde und in der Kurzzeitpflege verstarb. „Dass wir meinem Vater hier ein Gesicht geben dürfen, rührt und ehrt uns von Herzen“, sagte sie. Finja Wilkens erzählte von ihrem Vater Hans-Gerd, der im Krankenhaus an Leukämie starb: „Wir wollten es nicht, und doch haben wir ihn allein gelassen.“ Die geltenden Corona-Bestimmungen machten den persönlichen Kontakt unmöglich. „Es bedrückt uns nach wie vor unheimlich.“ Detlef Jacobs berichtete von seiner Mutter Renate, die vier Tage vor ihrem 80. Geburtstag im Seniorenheim starb. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Bundesratspräsident Rainer Haseloff und der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Stephan Harbarth, begleiteten Hinterbliebene, die weitere Kerzen aufstellten.

Lichtfenster als Einstimmung

Zu den Klängen von Samuel Barbers „Adagio for Strings" wurden Bilder von Verstorbenen gezeigt, unscharf manche, aus der Ferne kaum zu erkennen, symbolhaft für die Distanz, die viele unmittelbar vor dem Tod erfahren mussten. Im Laufe des Corona-Jahres hat sich Frank-Walter Steinmeier immer wieder getroffen mit Bürgern, die beruflich mit der Pandemie zu tun haben, aber auch mit Genesenen und Hinterbliebenen. Mit der Aktion Lichtfenster, in deren Rahmen Bürger Kerzen in ihre Fenster stellen sollten, hat er bereits im Januar eingestimmt auf das gemeinsame Gedenken.

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Am Vormittag hatten die Kirchen zum ökumenischen Gottesdienst für die Corona-Toten in die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche geladen. Auch Vertreter jüdischen und muslimischen Glaubens wirkten mit, dazu Betroffene. Tagesspiegel-Redakteur Joachim Huber, der die Krankheit knapp überlebt hat, erinnerte daran, wie auch jetzt überall im Land Infizierte den Kampf um ihr Leben aufnehmen müssen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sagte in seiner Predigt: „Wie ein Trauma legt sich die Krisenerfahrung der Pandemiezeit auf unsere Seele und schreit nach Heilung."
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzig sprach zum Thema Hoffnung. Seine Ausführungen unterstrich ein schönes Musikprogramm emotional: „Hoffnung schenkt Mut und Widerstandskraft. Hoffnung motiviert zum Handeln.“

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