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Besucher auf dem Gelände des früheren KZ Auschwitz

© dpa

Nationalsozialismus: USA: Mutmaßlicher KZ-Wachmann soll ausgeliefert werden

Die US-Behörden haben einen 89-jährigen gebürtigen Tschechen verhaftet. Die deutsche Justiz wirft dem Mann Beihilfe zur Ermordung hunderttausender Juden im Konzentrationslager Auschwitz vor.

In Philadelphia ist am Dienstag der 89-jährige Johann Breyer festgenommen worden, der als Wachmann in Auschwitz an Verbrechen beteiligt gewesen sein soll. Grundlage war ein deutscher Haftbefehl, sagte sein Anwalt Dennis Boyle. Er sei am Mittwoch in Philadelphia einem Haftrichter vorgeführt worden, der ihm wegen der Schwere der ihm zur Last gelegten Taten eine Freilassung auf Kaution verweigert habe. Am 21. August werde es eine gerichtliche Anhörung über die mögliche Auslieferung Breyers nach Deutschland geben.

Breyer war Mitglied der Waffen-SS

Die deutsche Justiz hatte 2012 ein Ermittlungsverfahren gegen Breyer eingeleitet. Sie wirft ihm vor, als Wachmann im KZ Auschwitz 1944 an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Breyer räumte ein, als 17-Jähriger Mitglied der Waffen-SS geworden zu sein, bestreitet aber, als Wachmann in Auschwitz fungiert zu haben. Seinen Angaben zufolge diente er in der Nähe von Auschwitz in der Feldartillerie der Waffen-SS und desertierte später von der Einheit. Nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierte Breyer, der als Sohn einer Amerikanerin in der Tschechoslowakei geboren wurde, in die USA.

Er sieht sich selbst als Nazi-Opfer

Boyle verwies auf den schlechten Gesundheitszustand seines Mandanten: Dieser leide unter Demenz und habe Herzprobleme.
Nach seiner ersten Nacht im Gefängnis sei er gebrechlich und verwirrt vor Gericht erschienen. "Er bestreitet jegliche Verwicklung in Kriegsverbrechen", sagte Boyle. "Er war nie ein Nazi." Sein Mandant sei zum Kriegsende ein in
sowjetischer Gefangenschaft gewesen. "Er war genau so ein Opfer der Nazis wie jeder andere", sagte Boyle. "Er war kein Freiwilliger in der SS, er wollte nicht in der SS sein, er desertierte von der SS." Über eine Auslieferung Breyers an
Deutschland muss letztlich US-Außenminister John Kerry entscheiden.

Ein neuer Fall Demjanjuk?

Auch fast 70 Jahre nach Kriegsende wird immer noch nach NS-Tätern gefahndet. Im vergangenen Jahr erklärte die zuständige Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg, dass sie die Vorermittlungen gegen 30 weitere Wachleute von Auschwitz abgeschlossen habe. Jahrzehntelang hat die deutsche Justiz gegen diese Täter nicht systematisch ermittelt. Sie wurden nur dann vor Gericht gestellt, wenn ihnen eine einzelne Tat, nachgewiesen werden konnte. Das änderte sich erst mit dem Urteil gegen John Demjanjuk, der früher Wachmann im NS-Vernichtungslager Sobibor gewesen war. Das Landgericht München verurteilte ihn im Mai 2011 wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Haft. AFP/Tsp

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