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Wie denn nun? Erst attackiert US-Präsident Donald Trump Kanzlerin Angela Merkel, dann lobt er das Verhältnis in höchsten Tönen.

© Ludovic Marin/dpa

Nato-Gipfel in Brüssel: Trump und Merkel in der Kampfzone

Donald Trump hat seine eigene Vorstellung davon, wie man ein Nato-Treffen von Bündnispartnern einleitet. Sofort zum Krawall übergehen.

Wer gehofft hatte, dass es sich Donald Trump doch noch einmal anders überlegt, wurde nach wenigen Sekunden eines Besseren belehrt. Eigentlich wollte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit dem US-Präsidenten in entspannter Atmosphäre bei einem Frühstück den Nato-Gipfel vorbereiten. Auf dem Tisch standen Croissants und Orangensaft. Es werde vielleicht einige warme Worte zur Einstimmung auf den Nato-Gipfel geben, hieß es vorher aus Stoltenbergs Umfeld.

Doch Trump hatte eine ganz andere Vorstellung davon, wie man ein solches Treffen einläutet. Der Amerikaner war aggressiv gestimmt, als könnte er es gar nicht abwarten, Krawall zu machen. Er legte sogleich los mit einer Brandrede gegen Deutschland, kritisierte Berlin für seine Verteidigungsausgaben und den geplanten Bau einer Gas-Pipeline mit Russland. Noch bevor der Nato-Gipfel offiziell begonnen hatte, machte Trump ihn zu seiner Arena. Und Deutschland zu seinem Hauptgegner.

„Deutschland ist total von Russland kontrolliert“, schimpfte der US-Präsident. Das Land sei ein „Gefangener“ Russlands. Deutschland zahle Milliarden an Russland und mache Moskau damit stark, lasse sich dann aber von den USA und der Nato beschützen.

Es sind Sätze, die diesen Gipfel der mächtigen Militärallianz prägen werden, so wie schon das Treffen im vergangenen Jahr von Trumps Schimpftirade gegen andere Verbündete überlagert wurde. Dass es wieder Streit ums Geld geben würde, war schon vorher klar. Aber diesmal pickte sich der Republikaner ganz gezielt Deutschland und Bundeskanzlerin Angela Merkel heraus, degradierte das multilaterale Treffen zu einem Nebenschauplatz für eine Auseinandersetzung mit Berlin. Dass Nato-Gipfel vor allem dafür da sind, ein Signal der Geschlossenheit und Abschreckung an Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin zu senden – egal.

Das geht selbst Merkel zu weit

Nach einer vergleichbaren Attacke eines US-Präsidenten gegen Deutschland dürfte man in der Nachkriegszeit vergeblich suchen. Auch nach dem Nein Deutschlands zur US-Invasion im Irak hatte es 2002 und 2003 zwar harte Vorwürfe aus Washington gegeben. Aber nicht so. Damals hatte sich Deutschland an der Seite Russlands und Frankreichs gegen den Krieg gestemmt. Aber niemand hätte gewagt zu behaupten, Deutschland werde von Moskau gesteuert oder kontrolliert.

Eine solche Aussage geht selbst Merkel zu weit. Die Kanzlerin hatte sich bisher bemüht, das krawallige Auftreten Trumps auf internationaler Bühne mit Gelassenheit zu parieren. Die Russland-Tirade packte sie aber bei ihrer Ehre. Sie wirkte fast schon persönlich beleidigt, als sie gleich nach ihrer Ankunft in Brüssel auf den Angriff Trumps reagierte und dabei sogar persönlich wurde.

Merkel ist in einem Staat groß geworden, der tatsächlich von der Sowjetunion kontrolliert wurde, in der DDR. Genau das hält sie dem US-Präsidenten entgegen. „Und ich bin sehr froh, dass wir heute in Freiheit vereint sind als die Bundesrepublik Deutschland und dass wir deshalb auch sagen können, dass wir unsere eigenständige Politik machen können.“

Aber was reitet Trump eigentlich bei seiner neuerlichen Attacke? Oberflächlich betrachtet fügt sich seine Wutrede ein in das Bild eines Präsidenten, der gegenüber Europa immer wieder die Keule der Machtpolitik schwingt, um wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Der europäische Gasmarkt, bisher stark von Russland abhängig, ist eines der wesentlichen Ziele der amerikanischen Industrie. Trump will die Flüssiggaslieferungen aus den USA in die Länder Mittel- und Osteuropas ausbauen.

Ganz aus der Luft gegriffen sind seine Vorwürfe aber nicht. Auch in etlichen anderen Nato-Staaten, allen voran Polen und die Länder des Baltikums, und selbst in den Reihen der Union wird befürchtet, dass Deutschland sich zu abhängig von russischen Energielieferungen machen und so ein Sicherheitsrisiko erzeugen könnte. Russland ist schon jetzt mit Abstand größter Energielieferant Deutschlands, wäre ohne die Exporte wirtschaftlich deutlich schwächer und könnte vermutlich auch weniger Geld in Rüstung investieren.

Europa als Gegner

Es ist aber bemerkenswert, dass Trump Deutschland zwar nun für das Geschäft mit Russland ins Visier nimmt, gleichzeitig aber oft auffällig still war, wenn der Westen Russland kritisierte. Wie im März, als Großbritannien Russland beschuldigte, hinter der Nervengift-Attacke auf den früheren russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter Julia zu stehen. Zwar wies die US-Regierung als Reaktion darauf wie andere Länder auch russische Diplomaten aus, Trump hielt sich aber mit markigen Worten an die Adresse Putins zurück.

Ob das auch am kommenden Montag so sein wird, wenn sich Trump in Helsinki zum dritten Mal mit dem russischen Präsidenten trifft, diesmal zu einem richtigen Gipfel? Der Kreml-Chef ist jedenfalls jetzt erst einmal derjenige, der von dem Streit in der Nato am meisten profitieren könnte.

Wie es im Verhältnis zwischen Merkel und Trump weitergeht? Der US-Präsident schießt sich schon seit Wochen auf Deutschland ein. Erst ging es um mangelnde Verteidigungsausgaben und den deutschen Handelsüberschuss. Dann drosch er auf die Flüchtlingspolitik Merkels ein und drohte zuletzt mit Strafzöllen auf Autoimporte, was Deutschland besonders schwer treffen würde. Jetzt ist es die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland. Trump scheint die größte Wirtschaftsmacht Europas mehr als Konkurrenten denn als Partner zu sehen. (dpa)

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