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Nato-Treffen: Alliierter Burgfrieden

Deutschland wird wegen seines Einsatzes in Afghanistan nicht an den Pranger gestellt werden, denn Gipfeltreffen sind ihrer Natur nach Harmoniedemonstrationen. Der Druck durch die anderen Nationen aber bleibt.

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George W. Bush zeigt sich konziliant. Nein, sagt der US-Präsident, nein, wenn er die Bundeskanzlerin Mitte der Woche beim Nato-Gipfel in Bukarest treffe, dann werde er sie nicht drängen, die Bundeswehr nach Süd-Afghanistan zu schicken: „Ich möchte von anderen Staaten nichts fordern, wozu sie politisch nicht in der Lage sind.“ Kein Ruf nach deutschen Bodentruppen für Kandahar? „Nein“, bekräftigt Bush in dem Interview der „Welt“, „das wird nicht geschehen.“ Sollte Angela Merkel also je die Sorge gehabt haben, dass sie in der rumänischen Hauptstadt von den Nato-Partnern an den Pranger gestellt wird, hat sich das jetzt erledigt. Die Gefahr war freilich stets gering. Gipfeltreffen sind ihrer Natur nach Harmoniedemonstrationen. Der Pranger gehört nicht zur Grundausstattung.

Trotzdem machen sich deutsche Sicherheitspolitiker wenig Illusionen: Der prinzipielle Druck auf Deutschland, seine Vorbehalte gegen Kampfeinsätze außerhalb des eigenen Kommandogebiets im Norden aufzugeben, wird bleiben. Über deutsche Hasen am Hindukusch, die sich angeblich im relativ sicheren Norden wegducken, lästern schließlich nicht nur die Amerikaner. Selbst Bushs plötzliches Verständnis für Angela Merkels innenpolitische Zwänge wird in Berlin eher als eine Art Burgfrieden gedeutet denn als Kapitulation vor Merkels hartem Nein gegen einen „Wettlauf der Gefährlichkeiten“.

Aus amerikanischer Perspektive wirkt das übrigens genauso. Die Nato-Experten der großen Think-Tanks in Washington schildern Bushs Haltung als unverändert – sie entspricht jenem Brandbrief, in dem sein Verteidigungsminister Robert Gates erst vor zwei Monaten Deutschland und andere Verbündete ziemlich barsch aufgefordert hatte, mehr Soldaten und vor allem Soldaten ohne Einsatzbeschränkung nach Afghanistan zu schicken. Unter den Präsidenten-Interviews, die das Weiße Haus veröffentlicht, fand sich am Sonntag denn auch kein Wort aus der deutschen Zeitung.

Dafür ist dort der Wortlaut eines Gruppengesprächs mit Journalisten aus Osteuropa und Frankreich nachzulesen. Und darin findet sich der wohl wichtigste Grund für Bushs Nachsicht mit den Deutschen: Der Präsident dankt dem französischen Kollegen Nicolas Sarkozy für die Entscheidung, 1000 Mann mehr nach Afghanistan zu schicken.

Tatsächlich kommt Sarkozys Angebot für Merkel wie für Bush wie gerufen. Die französische Verstärkung nimmt erheblich Druck vom übrigen Bündnis – ein Druck, der konkret vor allem von Kanada ausging. Die Minderheitsregierung in Ottawa hat, nach schweren Verlusten bei Kämpfen gegen Taliban in Südafghanistan ihrerseits innenpolitisch unter Druck, mit dem Abzug aller Truppen gedroht, falls nicht andere Staaten nachlegen. Die US-Regierung hat daraufhin 3200 Marines den Marschbefehl erteilt, allerdings nur für ein halbes Jahr. Die Franzosen können diese Lücke füllen. Und der Nato-Gipfel kann sich, statt mit Truppenstärken zu jonglieren, beim Thema Afghanistan auf die Details des neuen Strategiekonzepts konzentrieren. Der neue Ansatz soll dafür sorgen, dass ziviler Aufbau und Kampf gegen die Taliban nicht wie zwei völlig getrennte Aufgaben nebeneinander herlaufen.

Burgfrieden also schon vorab bei dem Thema, das die Deutschen am Nato-Gipfel am meisten interessiert – ansonsten freilich hält sich die Harmonie in Grenzen. Da ist der mittelalterlich anmutende Namensstreit zwischen Nato-Mitglied Griechenland und Mazedonien, der die Erweiterung des Bündnisses auf dem Balkan blockiert. Da ist der Gegensatz zwischen Westeuropäern einerseits, Osteuropäern und den USA andererseits in der Frage, ob die Ukraine und Georgien in das Programm für Nato-Anwärter aufgenommen werden – ein Punkt, in dem Merkel bisher klar Position gegen Bush bezogen hat. Die Nato könne keine Mitglieder brauchen, so die Kanzlerin sinngemäß, die – wie die Ukraine – im Inneren tief gespalten über diese Mitgliedschaft ist oder – wie Georgien – in lokale Konflikte verstrickt ist, die dann plötzlich zur Bündnisangelegenheit würden. Das klingt plausibel; doch argwöhnen etliche Nato-Partner, hinter solchem Widerstand stecke eher Rücksichtnahme auf Russland. Zumal die Deutschen erkennbar zögerlich auch der amerikanischen Idee einer die ganze Nato umfassenden Raketenabwehr gegen eine eventuelle künftige Bedrohung aus Iran und anderen Nahost-Staaten gegenüberstehen.

Ein Projekt, dem der Ehrengast des Gipfels gar nichts abgewinnen kann. Wladimir Putin war noch nie beim Treffen der Nato-Chefs. Die Premiere kurz vor Ablauf seiner Amtszeit macht dem Bündnis einiges Kopfzerbrechen. Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer hat den Russen schon mal vorsorglich aufgerufen, die Staats- und Regierungschefs mit wüsten Drohungen im Kalter-Krieger-Ton zu verschonen. Was den Niederländer auf die Idee gebracht hat, dass er Putin damit beeindruckt, ist nicht ganz klar.

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