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Ein zerstörtes Haus in Syrien nahe der türkischen Grenze: Die Gewalt kommt näher, die Türkei will sich schützen.

© AFP

NATO-Unterstützung für die Türkei: De Maizière stellt Ankara militärische Hilfe in Aussicht

Noch hat die Türkei die NATO nicht offiziell um Unterstützung gebeten, doch das scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Verteidigungsminister Thomas de Maizière stellt bereits Hilfe in Aussicht - aber vorher müssen noch einige dringende Fragen geklärt werden.

Die SPD fordert eine Entscheidung des Bundestags, ob Deutschland Soldaten und Flugabwehr-Raketen vom Typ Patriot an die türkisch-syrische Grenze schickt. Eine leichtfertige Entscheidung dürfe es angesichts der brisanten Lage im Nahen und Mittleren Osten nicht geben, warnte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier am Montag in der „Bild“-Zeitung. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) stellt allerdings den NATO-Bündnispartnern in Ankara bereits militärische Hilfe in Aussicht.

Der Verteidigungsminister sagte zu Beginn des Treffens mit seinen europäischen Ressortkollegen in Brüssel: „Ich rechne damit, dass es heute eine Anfrage der türkischen Regierung an die NATO gibt zur Stationierung von Patriot-Raketen an der türkischen Grenze.“ Deutschland, das neben den Niederlanden und den USA als einzige Nation über dieses Waffensystem verfüge, sei „45 Jahre lang der Hauptnutznießer von Bündnissolidarität gewesen“.

De Maizière fügte hinzu, wenn „jetzt ein Bündnispartner uns um eine solche Maßnahme bittet, dann ist es für uns klar, dass wir dem offen und solidarisch gegenüberstehen“. Dabei gehe es allerdings um eine rein „vorsorgliche und defensive Maßnahme auf dem NATO-Gebiet“.

Medienberichten zufolge will die NATO einer möglichen Bitte um Aufstellung von Flugabwehrraketen im Grenzgebiet zu Syrien umgehend entsprechen. Daran könnte sich die Bundeswehr mit einer oder zwei Patriot-Staffeln und bis zu 170 Soldaten beteiligen.

Bisher hat die Türkei bei der Nato noch nicht um die Entsendung von Flugabwehrraketen in das Grenzgebiet zu Syrien gebeten. „Wir haben noch keinen förmlichen Antrag erhalten“, sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Montag in Brüssel vor Journalisten. „Ich weiß nicht, ob und wann wir eine solche Bitte erhalten. Aber wenn wir die Bitte erhalten, dann wird sie von den Verbündeten als dringlich behandelt. Die Türkei kann auf unsere Solidarität zählen.“

Allerdings wird die Türkei nach Angaben aus dem Außenministerium in Ankara wohl offiziell um die Entsendung von Flugabwehrraketen des Typs Patriot in das Grenzgebiet zu Syrien bitten. „Ich kann nicht sagen, ob heute oder morgen. Aber es wird bald passieren“, sagte ein türkischer Diplomat am Montag. Die Bitte um militärische Unterstützung der Verbündeten im Grenzgebiet der Türkei zu Syrien werde an die NATO in Brüssel gerichtet.

Ist ein Bundestagsmandat notwendig?

Rasmussen sagte, eine Flugverbotszone über Syrien stehe nicht zur Debatte: „Wir sprechen nicht über eine Flugverbotszone. Wenn wir Patriot-Raketen einsetzen sollten, dann wäre das eine rein defensive Maßnahme zur Verteidigung und zum Schutz der Türkei. Und der Einsatz würde auf türkischem Gebiet stattfinden.“ Der Nato-Generalsekretär bekräftigte, das Bündnis habe „alle Pläne fertig, um die Türkei nötigenfalls zu verteidigen und zu beschützen“. Diese Pläne werden angepasst, falls das nötig sein sollte, um einen wirksamen Schutz der Türkei sicherzustellen.“

Steinmeier räumte ein, die Türkei habe als NATO-Partner Anspruch auf Unterstützung, wenn ihr Staatsgebiet und seine Menschen angegriffen und ernsthaft bedroht sind. „Ob das der Fall ist, darf in der hochgefährlichen Lage im Nahen und Mittleren Osten nicht leichtfertig entschieden werden“, betonte der SPD-Fraktionschef. Die Bundesregierung solle in dieser heiklen Frage nicht in der Öffentlichkeit herumschwadronieren, sondern müsse gegenüber dem Bundestag offenlegen, welche Anforderungen der Türkei vorliegen und wie sie eine Stationierung in der Gesamtlage beurteilt.

Der Verteidigungsminister schloss nicht aus, dass ein Bundestagsmandat notwendig sei. Sollten Patriot-Raketen an die türkisch-syrische Grenze verlegt werden, würden diese wohl auch auf türkischem Boden von deutschen Soldaten geschützt. Vor diesem Hintergrund spreche viel dafür, dass ein Bundestagsmandat nötig werde. Selbst falls dem nicht so sein sollte, wolle die Bundesregierung das Parlament aber „selbstverständlich beteiligen“.

Eine ausreichende Information des Parlaments vermisst die SPD allerdings. „Der erste Schritt wäre, dass uns die Regierung mal korrekt und umfassend informiert. Das hat sie bisher nicht getan“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, der „Rheinischen Post“. Er zeigte sich skeptisch, ob tatsächlich innerhalb der NATO der Bündnisfall gegeben ist. „Das Bundesverfassungsgericht hat vorgegeben, dass im Zweifel der Bundestag gefragt werden muss“, sagte er.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann warnte im ARD-„Morgenmagazin“ vor einer „Hurra-Mentalität“ einiger Koalitionspolitiker und kritisierte, dass die Opposition von dem Vorgang erst durch Medien erfahren habe.

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, forderte, Deutschland solle die Türkei unterstützen. „Wir sollten uns daran beteiligen“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“. Das sei aus Bündnissolidarität dringend geboten. Kujat, der auch Vorsitzender des NATO-Militärausschusses war, betonte aber zugleich, dass der Bündnisfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrages vom NATO-Rat bisher nicht festgestellt worden sei.

Die Grünen sprachen sich gegen einen Einsatz der Bundeswehr an der türkisch-syrischen Grenze, sollte es kein Mandat der Vereinten Nationen geben. Fraktionschef Jürgen Trittin sagte der „Berliner Zeitung“: „Jegliche militärische Operation über dem Hoheitsgebiet von Syrien ohne ein UN-Mandat geht für Deutschland nicht.“ (dapd, dpa)

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