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Politik: Natogeschosse: Chefmediziner: Kein Krebs durch Uranmunition

Die Chefmediziner der 19 Nato-Länder sehen keinen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Uranmunition auf dem Balkan und Leukämie oder anderen Krebsfällen. Das erklärten sie am Dienstag nach einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses der Allianz in Brüssel.

Die Chefmediziner der 19 Nato-Länder sehen keinen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Uranmunition auf dem Balkan und Leukämie oder anderen Krebsfällen. Das erklärten sie am Dienstag nach einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses der Allianz in Brüssel. Der Vorsitzende des Ausschusses, der belgische Generalmajor Roger Van Hoof, sagte, man könne auch keinen keinen Zusammenhang zwischen der leicht radioaktiven Munition und anderen von Balkansoldaten gemeldeten Beschwerden erkennen. Die Zahlen stellten keine überproportionale Zunahme im Vergleich zu den Soldaten dar, die nicht in Bosnien oder im Kosovo stationiert gewesen seien. Dies bestätigten auch zwei der leitenden US-Ärzte, die die Auswirkungen von Uranmunition seit Jahren erforschen.

"Vom medizinischen Standpunkt gibt weder beim Einsatz von Uranmunition noch danach ein erhöhtes Krebsrisiko für Soldaten oder Zivilisten durch radioaktive Strahlung", sagten die Militärmediziner Michael E. Kilpatrick und Erich G. Daxon dem Tagesspiegel bei einem Besuch in Berlin. Das gelte sowohl für Munitionspartikel, die als Staub eingeatmet würden, als auch für direkten Hautkontakt mit Teilen der Urangeschosse. Derzeit untersuchen Kilpatrick und Daxon 20 US-Soldaten, die seit dem Golfkrieg vor zehn Jahren Splitter von Uranmunition im Körper haben. Bisher seien bei diesen Männern keine Krebsfälle aufgetreten.

Die umstrittene Uranmunition ist von der Bundeswehr und ihren Nato-Verbündeten offenbar schon seit Jahrzehnten eingesetzt worden. Wie Kilpatrick und Daxon dem Tagesspiegel bestätigten, wurden die Geschosse zwar erstmalig 1991 am Golf in einem Krieg eingesetzt. "Aber ausgerüstet waren die amerikanischen Soldaten in Europa mit diesen Waffen mindestens seit 1980", sagte Kilpatrick, der beim US-Verteidigungsministerium die Abteilung zur Erforschung der medizinischen Golfkriegsfolgen leitet. Seines Wissens waren vor allem die US-Panzer in der Nähe der damaligen Grenze zur DDR mit diesen Geschossen ausgerüstet. "Abgesehen von einigen versehentlichen Fällen wurden sie aber nie abgefeuert."

Nach Darstellung des Norddeutschen Rundfunks hat auch die Bundeswehr vor 20 Jahren Uranmunition getestet. Ein ehemaliger Soldat sagte dem Sender, er habe im Jahr 1980 auf dem Übungsplatz Sennelager bei Paderborn etwa zehn Patronen mit abgereichertem Uran verschossen. Vor Gesundheitsgefahren sei er nicht gewarnt worden. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte, er könne die Angaben des Soldaten nicht bestätigen, wolle dem Bericht aber nachgehen. Ein Sprecher der britischen Streitkräfte in Deutschland widersprach dem Bericht: Von einem Nato-Soldaten sei niemals Uran-Munition auf dem Übungsplatz abgeschossen worden.

US-Experten bestätigen Plutoniumspuren

Die Militärmediziner Kilpatrick und Daxon bestätigten unterdessen die Erkenntnisse von Schweizer Wissenschaftlern, wonach in der Uran-Munition auch Plutonium-Spuren enthalten sind. "Das ist uns seit einigen Jahren bekannt", sagte Daxon, der das Thema seit 1983 für die US-Armee erforscht. Allerdings sei die Menge des Plutoniums so klein, dass man auch daraus kein erhöhtes Krebsrisiko für Soldaten oder Zivilisten ableiten könne. Seine Schweizer Kollegen kommen hingegen zu einem anderen Ergebnis: Durch den Plutonium-Anteil bekäme die Diskussion um eventuelle Gesundheitsschäden eine ganz neue Dimension, gab die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich am Dienstag bekannt. Die Gefahr, an Krebs zu erkranken, wäre damit um ein Vielfaches höher.

Nach den nicht abreißenden Vorwürfen hat die Nato ihren Mitgliedsstaaten eine detaillierte Karte mit den Einsatzgebieten uranhaltiger Munition in Bosnien zur Verfügung gestellt. Das italienische Außenministerium begrüßte den Schritt. In Italien sind mindestens sieben auf dem Balkan eingesetzte Soldaten an Krebs gestorben. Die spanische Regierung dagegen bestritt, dass es im Zusammenhang mit uranhaltiger Munition ein Balkan-Syndrom gebe. Die an Krebs erkrankten Soldaten wiesen unterschiedliche Krankheitsbilder auf.

lvt

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