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Schrimm

© dpa

Nazi-Verbrechen: Die Suche geht weiter

50 Jahre Jagd auf Nazi-Verbrecher: Kurt Schrimm, Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, sieht noch viel Arbeit vor sich.

Ludwigsburg - Es ist sein Perfektionsanspruch, der diesen Mann so gefährlich macht für die verbliebenen Nazi-Verbrecher. Kurt Schrimm ist Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen. Auch 50 Jahre nach ihrer Gründung sucht die Behörde in Ludwigsburg weiter nach NS-Kriegsverbrechern. „Das kann noch lange dauern“, erklärt der 59-jährige Oberstaatsanwalt. Land für Land werden die Archive systematisch abgesucht. Im nächsten Jahr reist Schrimm nach Prag, Chile und Washington. Bereits abgehakt sind Länder wie Argentinien, Paraguay und die Ukraine.

Schrimm und seine Mitarbeiter blicken an diesem Montag auf 50 Jahre Arbeit der weltweit größten NS-Fahndungsstelle zurück. Und im Jubiläumsjahr könnte der Behörde ein großer Fang gelungen sein: Der gebürtige Ukrainer Iwan „John“ Demjanjuk soll sich 1943 im Vernichtungslager Sobibor in Polen der Beihilfe zur Ermordung von 29 000 Juden schuldig gemacht haben. Gegen den in den USA lebenden Demjanjuk hat die Zentrale Fahndungsstelle ein Vorermittlungsverfahren an die Münchner Staatsanwaltschaft abgegeben. Da sich diese nicht für zuständig erklärte, entscheidet derzeit der Bundesgerichtshof in Karlsruhe über den Fall.

Schrimm und seine Behörde werden die Fahndungsarbeit erst einstellen, wenn Ermittlungen keinen Sinn mehr ergeben würden. Sein Ziel sei es, „eines Tages vor den Minister treten zu können und zu sagen: ’Wir wissen nicht mehr, was wir tun sollen.’“ Doch solange die NS-Verbrechen nicht systematisch erschlossen und Nazi-Größen wie der ehemalige KZ-Arzt Aribert Heim alias „Dr. Tod“ und der Eichmann-Gehilfe Alois Brunner auf freiem Fuß sind, werde Schrimm weiterforschen.

Als die Zentrale Stelle 1958 ihre Arbeit aufnahm, stieß sie zunächst auf erheblichen Widerstand von Politikern, Staatsanwälten und Teilen der Bevölkerung. Nach den Nürnberger Prozessen begann die Zentrale Stelle erstmals systematisch, die Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten aufzuarbeiten. Die Mitarbeiter sammelten Material, womit die großen Auschwitz-Prozesse zwischen 1963 und 1965 sowie von 1964 bis 1966 möglich wurden. Gegen mehr als 110 000 Personen leitete die Ludwigsburger Zentralstelle Vorermittlungsverfahren ein. Rechtskräftig verurteilt wurden bis heute allerdings nur etwa 6500. Es mangelte oft an Beweisen. Seit 1965 ist zwar Mord von der Verjährung ausgenommen – nicht aber Totschlag. Hinzu kommt: Bis 1966 durfte die Behörde nur Verbrechen nachgehen, die außerhalb des Bundesgebiets begangen wurden. Zwar werde die Suche schwieriger, je länger die Taten zurückliegen, so Schrimm. Allerdings sei die Nachfolgegeneration „hilfsbereiter“ und gehe „emotionsloser“ an die Geschichte des Nationalsozialismus heran.Benjamin von Brackel

Benjamin von Brackel

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