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Nazi-Vergangenheit: 86-Jähriger soll wegen SS-Morden vor Gericht

Der Fall beschäftigt die Gerichte seit Jahrzehnten: Nach langem Hin und Her soll sich nun, 63 Jahre nach Kriegsende, ein mutmaßlicher SS-Mörder vor dem Aachener Landgericht verantworten.

Dem gebürtigen Niederländer Heinrich B. werden Morde an drei Männern 1944 in den Niederlanden zur Last gelegt, die zum Umfeld des niederländischen Widerstands gegen die Nazis gerechnet werden. Nun bestätigte der Dortmunder Oberstaatsanwalt Ulrich Maaß, dass gegen den 86-Jährigen "in Kürze" Anklage erhoben werde. Die NS-Morde sollen bei einer Aktion unter dem Tarnnamen "Silbertanne" verübt worden sein, der in dem Nachbarland insgesamt 54 Niederländer zum Opfer fielen.

B. war wegen der Taten bereits 1949 in Abwesenheit von einem Sondergericht in Amsterdam zum Tode verurteilt worden. Diese Strafe wurde später in Lebenslänglich umgewandelt, die niederländische Staatsangehörigkeit wurde B. in der Folgezeit entzogen. Erst im Juli 2007 hatte das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden, dass die Strafe an dem bei Aachen lebenden Ex-Bergmann nicht vollstreckt werden kann. Nach dem Willen des Dortmunder Oberstaatsanwalts von der Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Verbrechen in Nordrhein-Westfalen soll der Fall nun vor dem deutschen Gericht neu verhandelt werden. Nach einem EU-Übereinkommen ist dies möglich, weil die in den Niederlanden verhängte Strafe gegen B. nicht vollständig vollstreckt wurde.

Niederländisches Auslieferungsersuchen wurde abgelehnt

B. soll 1940 der deutschen Waffen-SS beigetreten sein und mit weiteren Mittätern die drei Männer im Juli und September 1944 in Breda, Voorschoten und Wassenaar erschossen haben. Der heute 86-Jährige war eine zeitlang in den Niederlanden inhaftiert, konnte jedoch später nach Deutschland fliehen. 1980 stellten die Niederländer ein Auslieferungsersuchen, das jedoch vom OLG Köln zurückgewiesen wurde - die Kölner Richter hatten nicht mit letzter Sicherheit klären können, ob der in Deutschland als staatenlos angesehene Verurteilte nicht doch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

2003 ersuchte dann das niederländische Justizministerium die deutschen Behörden, das Urteil in Deutschland zu vollstrecken. Dabei beriefen sich die Niederländer auf ein zwischenzeitlich in Kraft getretenes Übereinkommen zwischen den EU-Staaten über die Vollstreckung ausländischer strafrechtlicher Verurteilungen. Das Landgericht Aachen erklärte zwar im Februar 2007 das Urteil von 1949 für in Deutschland vollstreckbar - Mord unterliegt nach deutschem Recht nicht der Verjährung. Gegen die Aachener Entscheidung setzte sich der in einem Altenheim lebende B. jedoch mit Erfolg vor dem OLG Köln zur Wehr. Das Kölner Gericht verwies darauf, dass B. bei seiner damaligen Verurteilung in Abwesenheit nicht durch einen Pflichtverteidiger vertreten worden sei.

Mehrere Verfahren zu NS-Kriegsverbrechen laufen noch

Bei der nordrhein-westfälischen Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Kriegsverbrechen sind dem Dortmunder Oberstaatsanwalt zufolge derzeit noch rund 20 Verfahren anhängig. Erst Ende Januar hatte die Staatsanwaltschaft München I Mordanklage gegen einen ehemaligen Offizier der Gebirgstruppe erhoben. Der Mann aus Ottobrunn soll für die Ermordung von 14 Zivilisten 1944 in einem Dorf in der Toskana verantwortlich sein. (smz/AFP)

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