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Nebeneinkünfte: Vier gegen vier in Karlsruhe

Der Zweite Senat war in seinem Urteil gespalten, aber es bleibt dabei: Bundestagsabgeordnete müssen ihre Nebeneinkünfte offenlegen.

Es war eine Patt-Entscheidung, aber kein Unentschieden: Vier von acht Verfassungsrichtern des Zweiten Senats gaben den Ausschlag dafür, dass die Bundestagsabgeordneten jetzt ihre Nebeneinkünfte offenlegen müssen. Die vier begründeten ihre Entscheidung damit, dass das Bundestagsmandat zum „Beruf geworden“ sei und den „ganzen Menschen“ verlange. Nur dieser Umstand rechtfertige es, dass ihnen „der volle Lebensunterhalt aus Steuermitteln“ finanziert werde, den „die Bürger aufbringen“. Nicht das „Ob“, sondern nur das „Wie“ der Mandatsausübung stehe im freien Ermessen eines Abgeordneten.

Die Argumentation der neun Kläger, erst die Weiterführung ihres früheren Berufes mache sie von ihrer Partei unabhängig, folgten die vier Richter nicht. Die Abgeordnetendiäten sicherten die Unabhängigkeit des Mandats. Eine darüber hinausgehende Sicherung der Unabhängigkeit durch Gewährung besonderer Freiräume an bestimmte Berufsgruppen kenne die Verfassung nicht.

Der Abgeordnete Friedrich Merz (CDU) diente im Urteil als Paradebeispiel, um die Gefahr der Nebentätigkeit für die Unabhängigkeit des Abgeordneten zu belegen. Merz war vergangenen Oktober in der mündlichen Verhandlung gegen das Offenlegungsgesetz aufgetreten und hatte gesagt, er werde sich an einem Gesetz zum Thema Steinkohlesubventionen nicht beteiligen. Denn er sei in einer Kanzlei tätig, die die Ruhrkohle AG vertrete und deren Börsengang vorbereite. Er wolle den Anschein eines Konflikts vermeiden.

Merz’ Aussage bestätigte den vier Richtern die Notwendigkeit, die Abgeordnetentätigkeit als Mittelpunkt zu bestimmen. Denn im Konfliktfall sei die Nebentätigkeit abzulehnen, nicht die Mitwirkung an einem Gesetzesverfahren. Der Wähler jedoch „muss wissen, wen er wählt“, so die Richter wörtlich. Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten seien „für die Öffentlichkeit offensichtlich von erheblichem Interesse“. Das Interesse an der Vertraulichkeit der Nebeneinkünfte sei demgegenüber „nachrangig“. Im Übrigen entspreche die Offenlegung der Einnahmen aus Nebentätigkeiten auch der Gesetzeslage in anderen Ländern, wie den USA, Spanien und Skandinavien.

Sowohl die Bestimmung, dass die Mandatsausübung im Mittelpunkt stehen muss, als auch die Ausgestaltung der Offenlegungspflicht von Nebeneinnahmen wurde von den vier Richtern für verfassungsgemäß erklärt. Es gelten drei pauschalierte Stufen. In der ersten betragen die Nebeneinnahmen zwischen 1000 und 3500 Euro monatlich, in Stufe 2 bis zu 7000, ab Stufe 3 mehr als 7000 Euro im Monat. Auch das „Bruttoprinzip“ wurde gebilligt. Es könne nicht unterstellt werden, dass Bürger nicht zwischen Einnahmen und Gewinn unterscheiden könnten. Im Übrigen könne man darlegen, dass in den Angaben Betriebskosten, Steuern und andere Belastungen nicht abgezogen sind.

Die vier in der Minderheit gebliebenen Verfassungsrichter des Zweiten Senats halten es hingegen für verfassungsrechtlich geboten, dem Bundestagsabgeordneten die freie berufliche Tätigkeit während des Mandats zu ermöglichen. Sie verweisen auf die Tradition im 19. Jahrhundert und der Weimarer Republik. Die Möglichkeit, weiter seinem Beruf nachzugehen, gebe dem einzelnen Abgeordneten faktisch die Freiheit, keine übermäßige Rücksicht auf Erwartungen seiner Partei, einflussreicher Interessensgruppen oder auch der Medien nehmen zu müssen. Auch das Verfassungsgebot, wonach niemand am Zugang zum Amt des Abgeordneten gehindert werden darf, setze „ein Nebeneinander von Abgeordnetentätigkeit und Beruf voraus“.

Die vier unterlegenen Richter – Udo Di Fabio, Vizepräsident Winfried Hassemer, Herbert Landau und Rudolf Mellinghoff – lehnen es zwar nicht generell ab, dass der Abgeordnete die Mandatsausübung in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit stellen soll. Es dürfe aber keine zeitliche Beschränkung der Nebentätigkeit und keine flächendeckende Kontrollsysteme geben. „Wer freie Abgeordnete will, muss auch ein Mindestmaß an Vertrauen aufbringen“, so die vier anderen Richter wörtlich. Die Offenlegungspflicht der Nebeneinkünfte wird von den Contra-Richtern für verfassungswidrig gehalten. Die Offenbarungspflichten würden gegen den im Grundgesetz garantierten Abgeordnetenstatus verstoßen. Insbesondere durch das Bruttoprinzip könne eine „publizistische Prangerwirkung“ entstehen. Nach dem gegenwärtigen Gesetz müssten alle Vermögenszuflüsse angezeigt werden, ob es sich um Einkommen, Aufwandsentschädigungen oder durchlaufende Posten handele. Berufsbedingter Aufwand werde ebenso wenig berücksichtigt wie Steuern oder Abgaben. Das könne zu „gravierenden Fehleinschätzungen beitragen“ und ein „unzutreffendes Bild“ vermitteln.

Es sei auch nicht mit den Interessen der Öffentlichkeit zu rechtfertigen, dass ein Abgeordneter jeden Vertragspartner nennen müsse. Eine Offenlegung sei nur in Fällen gerechtfertigt, wenn tatsächlich eine Gefahr von Interessensverknüpfungen und Abhängigkeiten bestehe und die Information über die Verbindung geeignet sei, auf die Gefahr hinzuweisen.

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