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Ein Mann singt vor Plakaten mit dem Text "Get well soon Madiba"

© AFP

Nelson Mandela: Die Südafrikaner hoffen und beten

Vor der Klinik in Pretoria sieht es aus wie bei einer Gedenkstätte. Der Mandela-Clan und der ANC schirmen den Gründervater ab und schimpfen auf die ausländische Presse. Das Foto von US-Präsident Obama mit dem kranken Mandela fällt jedenfalls aus.

Jahrelang wurde sie in Südafrika kaum zur Kenntnis genommen. Doch seit der womöglich letzten schweren Erkrankung von Nelson Mandela vor drei Wochen hat sich seine älteste Tochter Makaziwe, das einzig überlebende Kind aus seiner ersten Ehe mit Evelyn Mase, zur einer Art Sprecherin des Mandela-Clans aufgeschwungen. Zunächst trommelte sie zu Wochenbeginn am Altersitz ihres Vaters in Qunu die Familie zusammen. Dann gab die 59-Jährige als einziges Clan-Mitglied dem Staatssender SABC ein langes Interview, in dem sie zumindest indirekt bestätigte, dass der weltweit verehrte Freiheitskämpfer und Friedenstifter in einer Privatklinik der Hauptstadt Pretoria im Sterben liegt. „Ich will nicht lügen“ sagte sie, „aber er sieht überhaupt nicht gut aus“. Sein Schicksal liege allein in der Hand Gottes. Allerdings öffne Ihr Vater die Augen und reagiere auf Berührungen. In dem Interview hatte Makaziwe Mandela auch angedeutet, dass das künftige Grab ihres Vater vermutlich Teil einer privaten Familiengruft sein und deshalb womöglich nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde. Mandela selbst hat dazu angeblich nichts hinterlassen. Er soll einem Bericht der Tageszeitung "Mail & Guardian" zufolge auf einer Beisetzung in seinem Stammes- und Alterssitz Qunu bestanden und um einen möglichst einfachen Grabstein gebeten haben.

Umso überraschender mutet es an, dass wenig später Südafrikas Staatschef Jacob Zuma, der Mandela noch am späten Mittwoch im Hospital besucht und daraufhin einen für Donnerstag geplanten Besuch im Nachbarland Mosambik abgesagt hatte, leichte Entwarnung gab. Nach einer weiteren Klinikvisite am Donnerstag Mittag, ließ Zuma öffentlich verbreiten, Mandelas Gesundheitszustand habe sich verbessert. Zwar befinde er sich noch immer in einem kritischen Zustand aber sei nun wieder "stabil". Wie Mandelas Tochter, die vor allem die vor der Klinik stationierten ausländischen Medien als "Geier" bezeichnete, geißelte auch Zuma die vielen Gerüchte über Mandelas angeblichen Gesundheitszustand. Er sei entsetzt darüber. In der Tat gibt es seit Tagen immer neue Gerüchte und Tweets, darunter viele Falschmeldungen. Am Mittwoch hatte der Johannesburger „Citizen“ unter Berufung auf Familienangehörige berichtet, Südafrikas erster schwarzer Präsident werde inzwischen künstlich beatmet und leide zudem an Nierenversagen, was eine regelmäßige Blutwäsche alle drei Stunden notwendig mache. Auch ein Gebet des Kapstädter Erzbischofs Thabo Makgoba am Krankenbett Mandelas, zusammen mit dessen Ehefrau Graca Machel, war von den Medien sogleich als Indiz dafür gewertet worden, dass Mandelas Tod unmittelbar bevorstehe.

"Lasst ihn bitte endlich gehen!"

Die meisten Menschen am Kap scheinen sich bei aller Verehrung für Mandela inzwischen aber mit dem nahenden Tod des südafrikanischen Gründervaters abgefunden zu haben. Viele wünschen ihm wie Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu mittlerweile vor allem „ein Ende seiner Leiden“. Auch Andrew Mlangeni, der einst mit Nelson Mandela auf der Sträflingsinsel Robben Island einsaß, sprach vielen Südafrikanern aus der Seele, als er die Familie vor kurzem öffentlich dazu aufrief: „Lasst ihn bitte endlich gehen.“

Gerade weil Mandela wie kein anderer die Einheit des Landes nach der Apartheid symbolisiert, finden es viele Südafrikaner dennoch schwer, ihn loszulassen. Für die meisten war Madiba, wie viele ihn respektvoll wegen seines Clannamens nennen, niemals nur ein berühmter Politiker sondern fast Teil der eigenen Familie. Ein Grund dafür ist, dass Mandela genau so handelte wie viele Menschen sich ihre politischen Führer wünschen. Wie kein zweiter verkörperte er eine moralische Haltung ohne Fehl und Tadel. Dabei waren ihm die Mittel für das Erreichen eines Ziels ebenso wichtig wie das Ziel selbst.

Kein Wunder, dass die Privatklinik in Pretoria, wo Mandela seit nunmehr drei Wochen wegen einer schweren Lungenentzündung stationär behandelt wird, inzwischen einer blumengeschmückten Pilgerstätte gleicht. Hunderte Südafrikaner waren auch gestern wieder an die streng bewachte Klinik gekommen, um dort für Mandela zu beten - und still Abschied zu nehmen. Zeichnungen, Pappherzen, Kerzen, Blumen und Stofftiere schmücken inzwischen eine rund 15 Meter lange Strecke am Klinikzaun.

Es ist auch diesmal schwer, glaubwürdige Informationen über Mandelas Zustand zu erhalten, wie schon bei den vier vorhergehenden Klinikaufenthalten seit Dezember 2012. Seit Jahren versucht vor allem sein  Afrikanischer Nationalkongress (ANC), den ersten schwarzen Präsidenten des Landes rigoros von der Außenwelt abzuschotten. Lange vor dem Einsetzen einer Altersdemenz  vor etwa vier Jahren achteten die Vertreter der heutigen Regierungspartei peinlich genau darauf, dass Mandela keine öffentlichen Ansprachen mehr hielt. Vermutlich lag dies auch daran, dass Mandela sich in seinem letzten großen Interview  ausgesprochen kritisch über die Amtszeit seines Nachfolgers Thabo Mbeki geäußert hatte, der weltweit vor allem für seine verhängnisvolle Aids-Politik in Erinnerung bleiben wird. Danach wurden weitere Treffen mit Journalisten strikt untersagt.

Laut Mandelas früherer Ehefrau Winnie Madikizela-Mandela geht es dem südafrikanischen Nationalhelden zwar mittlerweile wieder deutlich besser. „Verglichen mit dem, wie es vor ein paar Tagen war, ist es nun eine großartige Verbesserung“, sagte die einstige Anti-Apartheid-Kampfgefährtin und Ex-Ehefrau Mandelas am Freitag in Soweto bei Johannesburg vor Reportern. Allerdings gehe es dem 94-Jährigen noch keineswegs gut. Mandelas Tochter sagte noch vor wenigen Stunden, der Tod ihres Vaters könne "von einem Augenblick zum nächsten" eintreffen.

US-Präsident Barack Obama und seine Frau Michelle wollen im Laufe des Tages mit der Familie des schwer kranken südafrikanischen Vorkämpfers der Anti-Apartheid-Bewegung, Nelson Mandela, zusammenkommen. Auf einen Besuch am Krankenbett des Ex-Präsidenten würden die Obamas dagegen aus Achtung vor dem Wünschen der Familie Mandelas verzichten, teilte das US-Präsidialamt am Samstag mit. Obamas Treffen mit Mandelas Angehörigen werde im privaten Rahmen stattfinden.
Obama besucht Südafrika als Teil einer auf acht Tage angelegten Afrika-Reise, die ihn in insgesamt drei Länder bringt. Lange war spekuliert worden, ob der erste afroamerikanische US-Präsident den Besuch nutzen würde, um mit Mandela zusammenkommen, den er selbst als einen seiner persönlichen Helden bezeichnet hat. Der 94-Jährige liegt seit drei Wochen wegen einer Lungenerkrankung in einer Klinik in Pretoria. Sein Zustand wird als kritisch beschrieben.

(mit dpa)

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