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BKA-Vizepräsident Jürgen Maurer vor dem NSU-Untersuchungsausschuss

© dpa

Neonazi-Morde: BKA-Vize räumt Versäumnisse bei Ermittlungen ein

Bei der Aufklärung der NSU-Mordserie ist viel schief gelaufen. Vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages hat ein hochrangiger Ermittler nun selbstkritische Töne angeschlagen.

Der Vizepräsident des Bundeskriminalamts, Jürgen Maurer, hat Versäumnisse bei den Ermittlungen zur rechtsextremen Terrorzelle NSU eingeräumt. „Ob der Ansatz, der gewählt wurde, ausreichend breit war, darüber muss man nachdenken“, sagte Maurer am Donnerstag im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Die Behörden hätten sich unter Umständen zu früh in ihrem Blick begrenzen lassen und zu sehr auf die Hypothese konzentriert, hinter den Taten steckten Strukturen der organisierten Kriminalität. Es gebe das Grundproblem bei der Polizei, „dass wir zu schnell glauben, dass wir uns auf eine Richtung festlegen müssen“.

Der Untersuchungsausschuss befasst sich seit Jahresbeginn mit den Verbrechen der Terrorzelle NSU und den Ermittlungspannen bei deren Aufdeckung. Dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) werden zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde an türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern und einer Polizistin zur Last gelegt. Erst im November 2011 flog die Bande auf. Die Ermittler erkannten bis zuletzt den rechtsextremen Hintergrund der Taten nicht.

Maurer bezeichnete es als schockierend und erschreckend, dass es über Jahre nicht gelungen sei, die Morde, Bombenanschläge und Überfälle aufzuklären und das Terrortrio aufzugreifen. Für ihn selbst sei das eine bittere Erfahrung. Der 60-Jährige gehört seit 2010 zur BKA-Führung, zuvor war er dort Abteilungsleiter für den polizeilichen Staatsschutz und später für schwere und organisierte Kriminalität.

Das Bundeskriminalamt habe intensiv und mit viel Engagement ermittelt, versicherte er. Einen rechtsextremen Hintergrund der Taten habe seine Behörde nie ausgeschlossen. „Es gab bloß keine Spuren.“ Maurer sagte, er selbst habe nach dem Nagelbombenanschlag vor einem türkischen Friseursalon in Köln im Juni 2004 sofort als ersten, „fast schon vorurteilsbeladenen Reflex“ an einen fremdenfeindlichen Angriff gedacht. „Was denn sonst?“, fragte er. Die damals zuständigen Stellen hätten das aber vorschnell ausgeschlossen. Bei dem Anschlag in der Keupstraße in Köln, der ebenfalls auf das Konto des NSU gehen soll, waren damals 22 Menschen verletzt worden. Von einer rechtsterroristischen Organisation sei aber auch er zu der Zeit nicht ausgegangen, räumte der BKA-Vizepräsident ein. Er habe lediglich einen fremdenfeindlichen Fanatiker vermutet. „Ich habe falsch gelegen.“ Wenn das BKA jemals ernste Hinweise auf den Nationalsozialistischen Untergrund bekommen hätte, wären die Ermittler dem mit Nachdruck nachgegangen, versicherte er.

Zu der Debatte von 2006, ob das BKA die Ermittlungen in dem Fall hätte an sich ziehen sollen, sagte Maurer, er hätte dafür plädiert. Als die Entscheidung anders ausgefallen sei, habe er dies aber voll mitgetragen. Das BKA hatte das Bundesinnenministerium damals ersucht, die zentralen Ermittlungen übernehmen zu können. Die Innenminister der Länder hatten die Forderung aber abgewiesen.

Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, hatte das Vorgehen der Ermittler bei seiner Befragung vor dem Ausschuss im vergangenen Juni im Grundsatz verteidigt. Ziercke räumte damals zwar Fehler ein, ließ aber offen, wo diese geschehen seien, und schob die Verantwortung indirekt auf die Landesbehörden ab. Ende November soll auch der frühere Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor dem Ausschuss aussagen. Die Befragung des heutigen Bundesfinanzministers sei für den 30. November geplant, sagte der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) am Rande der Sitzung. Schäuble war von 2005 bis 2009 Chef des Innenressorts. (dpa)

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