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Neonazi-Terror: Wie gedenkt Deutschland der Opfer?

Nicht nur in der Hauptstadt, sondern im ganzen Land hielten die Menschen um 12 Uhr inne.

In ganz Hamburg ruhte Punkt zwölf Uhr der öffentliche Nahverkehr für eine Minute. Die Busse und Bahnen steuerten dafür Haltestellen oder Bahnhöfe an. Dazu läuteten im gesamten Stadtgebiet die Kirchenglocken. Mitarbeiter und Leitende des Kirchenkreises Ost bildeten eine spontane 150-köpfige Menschenkette und riefen dazu auf, sich gegen rechtsextremes Gedankengut und rechtsradikale Gewalt zu stellen. In der Rathausdiele der Hansestadt fand das zentrale Gedenken mit Vertretern und Mitarbeitern von Senat und Bürgerschaft sowie Besuchern statt. Dabei wurden rund 100 Hamburger gezählt, die einer Ansprache von Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) zuhörten. Schulsenator Ties Rabe (SPD) hatte vorab an alle Schulen appelliert, sich an der Gedenkminute zu beteiligen und auch im laufenden Unterricht des Tages die dem Anlass zugrunde liegende Thematik aufzugreifen. dhan

Auch in Bayern, wo fünf der bundesweit zehn Nazi-Morde geschehen sind, gedachten Tausende Menschen mit der Schweigeminute den Opfern. 200 Menschen trafen sich in Nürnberg auf der „Straße der Menschenrechte“. Sowohl BMW als auch viele andere Betriebe schlossen sich der Trauerminute an. Häufig waren die Beschäftigten um zwölf Uhr in der Kantine, wo die Essensausgabe ruhte.Vielfach beteiligten sich auch Stadtverwaltungen und Polizeipräsidien an dem Gedenken, in Augsburg standen Busse und Tram-Bahnen still. Für München verlangte Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) ein Zeichen, „dass wir rassistische Ausgrenzung und Gewalt nicht hinnehmen werden“.

Ude beging die Minute gemeinsam mit besonderen Gästen: Im Olympiastadion traf er Überlebende des Olympia-Attentats von vor 40 Jahren, als palästinensische Terroristen elf israelische Sportler und einen deutschen Polizisten töteten. Um zwölf Uhr stehen alle für eine Minute auf, die Fernsehkameras ruhen. pag

Die Anwohner der Keupstraße in Köln reagieren inzwischen nur noch genervt. Als sich kurz vor zwölf Uhr wieder zahlreiche Kameraleute und Fotografen in der Straße postierten, gab es für sie keine Bilder der Trauer oder Anteilnahme. Niemand hielt inne, der Straßenverkehr lief wie gewohnt weiter, obwohl die Neonazi-Gruppe für zwei Sprengstoffanschläge hier in der Domstadt verantwortlich sein soll. Das besondere Interesse der Medien an der überwiegend von Migranten bewohnten Straße ärgert die Menschen sogar, die Art des Gedenkens auch. „Eine Veranstaltung allein reicht nicht“, sagt Mitat Özdemir, der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Keupstrasse, „die Menschen hier haben weiterhin Angst“. Ohne besonderes Innehalten verlief der Tag auch rings um jenen Kiosk in Dortmund, in dem Mehmet Kubasik am 04. April 2006 ermordet worden war. jz

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