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Politik: Neonazis müssen sich ausziehen

Die Behörden machen den Rechten bei ihrer Dresdner Demo strenge Auflagen – Springerstiefel sind tabu

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Berlin/Dresden - Wenn am heutigen Sonntag, dem 13. Februar, vermutlich Tausende von Rechtsextremen durch Dresdens Innenstadt ziehen werden, dann nur unter strengen Auflagen. Denn Stadt und Polizei wollen wenigstens den martialischen Charakter des rechtsextremen Aufmarschs zum 60. Jahrestag der Bombardierung durch die Alliierten eindämmen. In einem 14-seitigen Bescheid untersagt das Ordnungsamt beispielsweise das Tragen von Springerstiefeln, Bomberjacken, Parolen wie „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ sowie ein zynisches Spektakel, das Neonazis bei früheren Demos veranstaltet hatten: Den Extremisten wird bewusst am 60. Jahrestag der Bombardierung verwehrt, „Beschallungen durchzuführen, die Sirenengeheul, das Abwerfen, Fliegen und den Einschlag von Bomben darstellen“.

Im Januar hatten Neonazis bei einem Aufmarsch in Magdeburg zum dortigen 60. Jahrestag des schwersten Luftangriffs ohrenbetäubende Sirenentöne und Bombenkrach abgespielt. Eine derartige Beschallung „widerspricht dem Anstandsgefühl jedes bewusst mit der Zerstörung Dresdens 1945 umgehenden Menschen“, heißt es in dem Bescheid. Polizei und Verfassungsschutz erwarten, wie berichtet, dass bis zu 7000 Neonazis nach Dresden kommen. Das wäre der größte rechtsextreme Aufmarsch in der Geschichte der Bundesrepublik.

Tausende von ihnen werden aus Provokation eine weiße Rose tragen. Überdies wollen die Rechtsextremisten als Zeichen der Trauer 3000 weiße Ballons aufsteigen lassen. Der Fraktionsgeschäftsführer der NPD im Landtag, Peter Marx, erklärte dem Tagesspiegel, dass man die weiße Rose als „Symbol der Trauer“ um die Opfer des Zweiten Weltkriegs „nicht den Antifaschisten“ überlassen wolle.

In Dresden haben Nazigegner bisher 2500 weiße Rosen verteilt. Sie erinnern an die Münchner Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ um die Geschwister Scholl, deren Mitglieder vom NS-Regime hingerichtet wurden. Die Nazigegner werden unter dem Motto „GehDenken“ am Nachmittag demonstrieren. Zahlreiche Prominente wollen sich beteiligen, darunter Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Bundesbauminister Manfred Stolpe (beide SPD). Zum offiziellen Gedenken an die Bombennacht werden zudem die Botschafter der USA, Großbritanniens und Frankreichs in Dresden erwartet.

Zwei Höhepunkte des Gendenkens sind für den Abend geplant. Zunächst sollen auf dem Theaterplatz 10000 Kerzen als riesiges „Licht der Mahnung“ aufgestellt werden. Um 22 Uhr beginnt ein Ereignis, das die Dresdener besonders bewegen dürfte: Erstmals soll der Hauptraum der in der Bombennacht zerstörten und jetzt fast wiederaufgebauten Frauenkirche geöffnet sein. Bis in die Nacht hinein können Besucher durch die Kirche gehen. Der Pfarrer der Frauenkirche, Stefan Fritz, erwartet 50000 Dresdener. Sie sollen Kerzen in dem Gotteshaus abstellen und es so in einen immer heller werdenden Lichtdom verwandeln – „als Zeichen“, so Fritz, „der Überwindung von Krieg, Rassismus und Gewalt“.

In Dresden arbeiten Bürger unter anderem in der Interessengemeinschaft 13. Februar 1945 schon länger daran, vor allem historische Übertreibungen beim Gedenken zu korrigieren. Das Erinnern an den 13. Februar sei seit 60 Jahren von politischen Erwägungen überlagert gewesen, sagt Matthias Neutzner von der Interessensgemeinschaft. Und: „Die NPD heute knüpft unmittelbar an die Nazi-Propaganda von 1945 an.“

Schon damals sei versucht worden, Dresden zum monströsen Verbrechen zu erklären, um von eigenen Untaten abzulenken. Die Nazis bauschten die ermittelte Todeszahl von etwa 25000 Menschen auf das Zehnfache auf, um international Wirkung zu erzielen – was gelang. Vor allem Rechtsradikale gehen heute noch von über 250000 Opfern aus. Seriöse Historiker wie die gebürtigen Dresdner Götz Bergander und Friedrich Reichert dagegen sprechen von 25000 bis 35000 Toten. Eine Historikerkommission im Auftrag der Stadt soll die Frage aufarbeiten, auch um die makabre Instrumentalisierung der Totenzahl zu beenden, die das Gedenken an den 13. Februar belastet. In dem Zusammenhang appellierte Kanzler Gerhard Schröder (SPD) an die Deutschen, Opfer von Krieg und Naziherrschaft nicht gegeneinander aufzurechnen. Er sagte der „Welt am Sonntag“, er werde Versuchen, die Geschichte umzudeuten, mit allen Mitteln entgegentreten.

Doch auch andere Dresden-Mythen halten sich hartnäckig. Etwa die von den alliierten Tieffliegern, die auf Flüchtlinge Jagd gemacht hätten. Eine solche Attacke ist nirgends belegt und gilt unter seriösen Historikern nicht als plausibel. Sie vermuten, dass geschockte Überlebende Luftkämpfe über oder nahe der Stadt als Attacken empfanden. Seit den 50er Jahren war das ominöse Tieffliegermassaker dennoch Bestandteil der Dresdenlegende, der sächsische SED-Politiker Max Seydewitz schilderte die angebliche amerikanische Gräueltat in einem Buch. In einer Neuauflage in den 80er Jahren tilgte der DDR-Verlag diese Passage.

Viele Dresdner wollen nun durch sachliche Aufarbeitung ein würdiges Gedenken ermöglichen. Matthias Neutzner ist der Meinung, dass man in der Stadt selbst dabei schon weiter sei als anderswo. Auf Anregung einiger Bürger, unterstützt von lokalen Prominenten, hat die Stadt Dresden eine Art Charta des Gedenkens veröffentlicht, einen „Rahmen für das Erinnern“, in dem sie sich von den zu erwartenden rechten Aufmärschen distanziert. „Wir wehren uns gegen den Missbrauch der Erinnerung zur Verharmlosung von Verbrechen der nationalsozialistischen deutschen Gesellschaft zwischen 1933 und 1945“, heißt es dort. „Wir wehren uns gegen den Missbrauch der Opfer der Zerstörung Dresdens zum Aufrechnen von Schuld.“

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