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Politik: Neonazis werden aggressiver

300 neue NPD-Mitglieder im vergangenen Jahr / Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz

Von Frank Jansen

Berlin – Der Rechtsextremismus ist im vergangenen Jahr in Deutschland erheblich aggressiver geworden. Es gebe Anlass „zu großer Sorge“, sagte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) am Dienstag in Berlin, als er den Jahresbericht 2004 des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vorstellte. Schily und BfV-Chef Heinz Fromm nannten die einschlägigen Details: Die Zahl der Neonazis stieg um 800 auf 3800, die der Skinheads blieb mit 10 000 konstant, die NPD gewann 300 Mitglieder und zählt jetzt 5300. Außerdem registrierte die Polizei 12 051 rechtsextreme Delikte – 1259 mehr als 2003. Ein weiteres Indiz für die Zunahme des aktionsorientierten Rechtsextremismus ist die deutlich gestiegene Zahl der Konzerte brauner Skinheadbands (2004: 137, 2003: 119).

Die Offensive der Hardcore-Elemente des deutschen Rechtsextremismus geht zulasten der weniger martialisch agierenden Parteien DVU und Republikaner. Beide verloren Mitglieder. Die DVU konnte nicht davon profitieren, dass sie bei der Landtagswahl in Brandenburg ein zweites Mal den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffte und sich mit der NPD verbündete.

Chancen für ein zweites Verbotsverfahren gegen die NPD sieht Schily allerdings nicht. Er sei mit seinen Amtskollegen aus den Ländern einig, dass es derzeit „keine Möglichkeit für eine Neuauflage“ gebe. Schily machte dafür einige Richter des Bundesverfassungsgerichts verantwortlich: Solange eine Minderheit im zuständigen Senat des Bundesverfassungsgerichts die Alternative stelle, entweder auf V-Leute zu verzichten oder auf ein Verbot, sei nur Letzteres möglich. 2003 hatten drei von sieben Richtern des Zweiten Senats in Karlsruhe die Einstellung des Verbotsverfahrens durchgesetzt.

Eine Überraschung präsentiert das BfV in seinem Jahresbericht in einer Fußnote. Da wird nachträglich für das Jahr 2002 ein Mordfall als rechtsextremistische Tat aufgeführt. Gemeint ist der Fall Potzlow. In dem brandenburgischen Dorf hatten Skinheads den Schüler Marinus Schöberl nach stundenlanger Folter umgebracht. Auch Tagesspiegel und „Frankfurter Rundschau“ hatten das Verbrechen in ihrer Liste mit Todesopfern rechter Gewalt seit 1990 genannt.

Die größte Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands geht laut Schily weiter vom islamistischen Terrorismus aus. Die Zahl der Straftaten extremistischer Ausländer nahm indes 2004 stark ab. Die Polizei stellte 461 Delikte fest, 2003 waren es 1473. Schily beklagte, dass die antijüdische türkische Zeitung „Anadoluda Vakit“ nach dem Verbot in Deutschland von der Türkei aus Mitglieder der Bundesregierung als Nazis verunglimpfe. Die türkische Regierung müsse sich fragen lassen, was sie gegen diesen Skandal unternimmt. Auf den Linksextremismus in Deutschland ging Schily nur am Rande ein. Die Polizei zählte 2004 insgesamt 1440 linksextreme Delikte (2003: 1459).

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