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Nepal

© AFP

Nepal: Mit neuen Waffen

Nepal entdeckt die Demokratie - mit Rebellen, die kaum etwas anderes als Töten gelernt haben.

Acht Meter ragt der Sicherheitszaun in die Höhe. Durch seine Stahlstäbe sieht man den aprikotfarbenen, neuzeitlichen Palast, dahinter erheben sich die Ausläufer der Himalayas. Noch residiert hier, im Herzen Kathmandus, Nepals König Gyanendra. Aber nicht mehr lange. Wenn nicht alle Auguren irren, wird ihn das neue Parlament bald hochkant aus dem Palast schmeißen.

Der kleine Himalaya-Staat schickt sich an, Geschichte zu schreiben: An diesem Donnerstag wählt das Volk erstmals direkt eine verfassungsgebende Versammlung. Und diese wird Nepal wohl zur Republik erklären und die 240 Jahre alte, einzige Hindu-Monarchie der Welt abschaffen. Mehr noch: Die Wahlen sollen auch das Ende des zehnjähriges Bürgerkrieges besiegeln – erstmals treten die maoistischen Ex-Rebellen als Partei an.

Der größte Totengräber des Königtums war der König selbst. Noch immer ist jeder zweite der 25 Millionen Nepalesen laut Umfragen für die Monarchie – aber niemand für Gyanendra. „Er ist ein skrupelloser, macht- und geldgieriger Mann“, sagt Kunda Dixit, der angesehene Herausgeber der Wochenzeitung „Nepali Times“. Sogar das Wort „teuflisch“ fällt. Denn während weite Teile des Volkes darben, lebten der König und seine Clique in Saus und Braus.

Gyanendra überreizte, als er im Februar 2005 die Regierung feuerte und die Macht an sich riss. Ein Jahr später gingen Hunderttausende auf die Straße, marschierten zum Palast und zwangen den König im April 2006, die Regierung wieder einzusetzen. Angeführt wurden die Proteste von den Maoisten, die sich nach zehn Jahren Bürgerkrieg und 13 000 Toten mit den Parteien gegen Gyanendra verbündeten. Ihre bis dahin in Wäldern und Bergen verschanzten Rebellen wurden so an der Übergangsregierung beteiligt und Guerillaboss Pushpa Kamal Dahal, der unter seinem Kriegsnamen Prachanda bekannt ist, tauschte die Kampfmonitur gegen den Anzug.

Die zwölfjährige Mallika errötet, als sie seinen Namen hört. Sie schwärmt ein wenig für ihn, hat zu Hause ein Poster des Ex-Rebellen. Mallika wohnt in Kathmandus Vorort Kirtipur, dem Wahlbezirk Prachandas. Mit etwa 2000 anderen wartet sie seit Stunden auf seine Rede. Die Menschen tragen T-Shirts mit seinem Foto oder mit Hammer und Sichel. Überall in der Straße wehen Fähnchen und Flaggen mit den kommunistischen Symbolen.

Viele haben die alten Gesichter satt. Nepals Politik wird seit Jahrzehnten von einigen Parteien beherrscht, die sich wenig um das Volk scheren. „Die Maoisten haben die Chance verdient zu zeigen, dass sie es besser machen“, sagt der 25-jährige Mohammad Alim, der einen Buchladen nahe dem Königspalast hat und zur muslimischen Minderheit zählt.

Dabei ist Prachanda ein großes Wagnis eingegangen, indem er seine Guerillatruppe zurück zur Demokratie führte: Während des Bürgerkriegs kontrollierten sie weite Teile des Landes. Nun aber müssen sich die Rebellen, die großspurig reklamieren, für das Volk zu sprechen, erstmals den Wählern stellen. Doch nicht die sich siegessicher gebenden „Maos“ gelten als Favoriten – sondern die alteingesessenen Parteien, die rechte Kongresspartei und die linke UML. Sollten die Ex-Guerillas ein Wahldebakel erleben, könnten manche wieder zu den Waffen greifen, fürchten viele. 30 000 Maoisten, davon 19 000 Kämpfer, hausen seit über einem Jahr in UN-Camps und warten auf die Zukunft. Viele von ihnen haben nichts anderes als Töten gelernt. Und mit demokratischen Spielregeln tun sie sich noch schwer: Schlägertrupps ihres Jugendflügels prügelten gegnerische Kandidaten krankenhausreif oder entführten sie. Auf dem Lande würden die Ex-Kämpfer massiv Wähler einschüchtern, kritisieren UN-Wahlbeobachter.

Dass kurz vor der Wahl aber auch sieben Maoisten erschossen wurden, heizt die explosive Stimmung an.

Die Maoisten seien offenbar in Panik, erklärt Dixit ihre unfeinen Methoden. „Dabei erkennen die Menschen an, welch großen Schritt die Maoisten getan haben. Aber sie wollen, dass sie nun friedlich bleiben.“ Mit dubiosen Sprüchen schüren ihre Parteiführer Ängste: Betrüge man die Maoisten um den Wahlsieg, werde das Volk putschen, lassen sie verlauten.

Madhav Nepal lacht nur über diese Drohgebärden. Der 54-Jährige ist Chef der UML und könnte neuer Regierungschef werden. Nepal ist ein kleiner, lustiger Mann, der die Dinge weit weniger dramatisch malt als die Medien. Am Handy spricht er am Vortag der Wahl abwechselnd mit Prachanda und dem scheidenden Chef der Kongresspartei. Er sondiert bereits. Die Maoisten würden zwar an der Regierung beteiligt, aber nur drittstärkste Partei werden, sagt er voraus. Werden sie die Niederlage akzeptieren? Nepal zwinkert: „Sie müssen.“

Christine Möllhoff

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