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Ein gesellschaftlicher Nachteil: Hohe Frauenstimmen.

© Stephanie Pilick/picture alliance / dpa

Nervös und dünn ist gleich naiv und doof: Gleichberechtigung beginnt schon bei der Stimme

Frauen haben natürlicherweise höhere Stimmen als Männer. Das ist in unserer Gesellschaft ein Nachteil – und sie passen sich diesem Umstand an. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Im öffentlichen Diskurs sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. Ein Grund dafür ist ihre Stimme. Nervös und dünn – das muss doch naiv und doof sein. Vor allem Frauen mit einem niedrigen sozialen Status werden über die Stimmlage vom gesellschaftlichen Gespräch ausgeschlossen. Sie können ihre Stimme erheben. Aber sie zählt nicht.

Diese Situation kennt jede: Eine Frau meldet sich in einer Versammlung, beginnt zu sprechen, ist aufgeregt, redet schneller. Die Stimme wird höher, zittriger, erstirbt. Bei der nächsten Veranstaltung hält sie den Mund. Solange die Zuhörer nicht akzeptieren, dass Frauen anders sprechen, wird sich daran nichts ändern. Stereotype über angenehme Stimmen haben dafür gesorgt, dass sich tausende Politikerinnen und Managerinnen in den vergangenen Jahren Sprechtrainings unterzogen haben.

Die Stimmen der Frauen klingen heute tiefer

Ihre Stimmen klingen heute tiefer, sie werden als glaubwürdig und sicher wahrgenommen. Betrug vor zwanzig Jahren der mittlere Abstand zwischen Männer- und Frauenstimmen eine ganze Oktave, ist es heute nur noch eine Quinte. Vor allem erfolgreiche Frauen beherrschen ihre Stimme, sie finden heute eher Gehör.

Als Angela Merkel noch Helmut Kohls Mädchen war, sprach sie auch wie Kohls Mädchen. Danach nicht mehr. Die Stimme der Bundeskanzlerin habe sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich abgesenkt, analysiert Stimmforscher Walter Sendlmeier. Die Anteile aufgeregter Sprache sind geringer geworden, entspannte Redepassagen haben zugenommen. Die Kanzlerin wirkt heute souverän, selbst wenn sie angestrengt ist – man könnte auch sagen: Auf ihr Publikum wirkt sie jetzt wie ein Mann.

Eine Frau die etwas werden will, kann sich eine hohe Stimme nicht leisten

Eine Frau, die etwas werden will, kann sich eine hohe Stimme nicht mehr leisten. Es sei denn, sie entschuldigt sich mit einem untherapierbar schwachen Kehlkopfmuskel – wie Familienministerin Franziska Giffey. Alle anderen arbeiten an sich. Die Frauen, die das nicht wissen, nicht können oder nicht wollen, piepsen sich aus der öffentlichen Wahrnehmung. Echte Gleichstellung klingt anders.

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