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Der Eindruck täuscht. Um das Verhältnis von Religionsführer Ali Chamenei und Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist es derzeit nicht zum Besten bestellt.

© dpa

Nervöse Führung: Machtkampf im Iran

Seit Wochen liegt das Regime im Iran lahm, mit harten Bandagen drischt die Führung aufeinander ein – kein neuerlicher Kampf von Regime gegen grüne Bewegung, sondern diesmal von Ultrakonservativen gegen Konservative, von Geistlichkeit gegen Präsident.

In Irans verwinkelten Korridoren der Macht tobt eine Schlacht auf Biegen und Brechen. Den ersten Schlagabtausch gab es Mitte April, als der Oberste Religionsführer Ali Chamenei Präsident Mahmud Ahmadinedschad in spektakulärer Weise in die Schranken wies. Der Regierungschef hatte Geheimdienstminister Heydar Moslehi entlassen, Stunden später setzte Chamenei seinen Gefolgsmann im Kabinett per Dekret wieder ein.

Der Präsident trat in den Streik, ließ sich nicht mehr in seinem Büro blicken und blieb demonstrativ den Kabinettssitzungen fern. Chamenei nicht zu gehorchen, komme einem Abfall vom Gottesglauben gleich, donnerte Ajatollah Mesbah Yazdi, ein Hardliner, der Ahmadinedschad bisher unterstützt hatte. Auch die Revolutionären Garden gingen auf Distanz. Eine Parlamentsmehrheit unterzeichnete gar eine Petition, die den Präsidenten aufforderte, Chameneis Befehl zu folgen. Nach zehn Tagen schließlich gab Ahmadinedschad den bizarren Boykott auf. Der Versuch, das Geheimdienstministerium unter seine Kontrolle zu bringen, war damit gescheitert. Der Zugang zu diskreditierenden Akten über Korruption im Umfeld Chameneis, politische Auftragsmorde oder Folter in Gefängnissen, die er künftig gerne gegen politische Widersacher eingesetzt hätte, bleibt dem Regierungschef damit weiter verwehrt.

Nervosität in Irans Führungselite wächst

Aufgestachelt durch diese einzigartige Demütigung des Präsidenten folgte diese Woche gleich die nächsten Rauferei, ausgelöst durch die Entscheidung Ahmadinedschads, acht Ministerien zu vieren zusammenzulegen und damit die Zahl der Ressorts von 21 auf 17 zu verringern. „Ohne Zustimmung des Parlaments ist das illegal“, intervenierte Parlamentspräsident Ali Laridjani und forderte die betroffenen Ressortchefs auf, weiter zur Arbeit zu gehen. Und wieder gab Chamenei den Kritikern Ahmadinedschads Recht, so dass dieser demnächst wohl die von ihm entlassenen Minister weiter am Kabinettstisch dulden muss.

Die Nervosität in Irans Führungselite wächst, nächstes Jahr im März stehen Parlamentswahlen an, im Mai 2013 wird der Nachfolger von Mahmud Ahmadinedschad gewählt, der selber nicht mehr antreten darf. Im seinem konservativen Lager sowie im ultrakonservativen Block Chameneis geht man davon aus, dass die Reformer nach der blutigen Unterdrückung ihrer grünen Bewegung diesmal gar nicht antreten werden. Und so beginnen beide Seiten schon jetzt mit dem politischen Stellungskrieg, um ihre Bewerber in eine möglichst gute Startposition zu bringen.

Chameneis Getreue könnten sich auf Ali Laridjani verständigen, einen eingefleischten Ahmadinedschad-Gegner. Der Präsident dagegen setzt auf seinen engen Vertrauten und langjährigen Büroleiter Esfandiar Rahim Mashaei, der wegen seiner teilweise liberalen Ansichten auch für Kreise der grünen Bewegung wählbar wäre. Dessen Tochter ist mit Ahmadinedschads Sohn verheiratet. Die Hardliner nehmen ihm vor allem übel, dass er gute Beziehungen zu dem jüdischen Volk für möglich hält und kürzlich Jordanien besuchte, das einen Friedensvertrag mit Israel hat.

Provokant finden sie zudem, dass der 52-Jährige das nationale persische Erbe des Iran demonstrativ betont und weniger die islamische Geschichte. Bereits im August 2009 hatte Ajatollah Chamenei deswegen seine Ernennung zum Vizepräsidenten mit einem Machtwort verhindert. Denn Mashaei will Theokratie und Klerus zurückdrängen, im Gegenzug die Machtbefugnisse gewählter Ämter ausdehnen. Langfristig streben er und seine Mitarbeiter eine Beschränkung der bisherigen Allgewalt des Obersten Religionsführers an. Einer von Mashaies Anhängern, der junge Chefgeistliche des Präsidentenpalastes, nannte den Querdenker kürzlich „absolut qualifiziert“ für das Präsidentenamt. Wenige Tage später wurde er verhaftet.

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