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Stopp-Schilder für Kinderpornos im Internet

© dpa

Netzsperren: E-Petition erfolgreich - Familienministerium gelassen

UPDATE In nur vier Tagen haben sich auf der Website des Bundestags bereits über 50.000 Menschen gegen die Netzsperren ausgesprochen. Nun muss sich der Bundestag mit der Petition beschäftigen. Das Familienministerium hält jedoch weiter am Gesetzesentwurf fest.

Am Montagmorgen hat der Petitionsausschuss des Bundestages eine E-Petition zur Mitzeichnung freigegeben, die schon jetzt die erfolgreichste seit Einführung des Systems zu werden verspricht: Denn heute Nacht gegen 1:15 Uhr hat die Petition die mindestens benötigte Stimmenzahl von 50.000 erreicht - nach nur vier Tagen. Die Unterzeichner sprechen sich generell gegen die Indizierung und Sperrung von Websites im Internet aus.

Initiatorin macht sich keine Hoffnung

Das Bundesfamilienministerium hält nach dem Erfolg der Online-Petition am Gesetzentwurf fest. "Eine zivilisierte Gesellschaft, einschließlich der Internetgemeinschaft, die Kinderpornografie ernsthaft ächtet, darf auch im Internet nicht tolerieren, dass jeder diese Bilder und Videos vergewaltigter Kinder ungehindert anklicken kann", teilte das Ministerium am Freitag in Berlin mit. "Das Leid der Opfer ist real, nicht virtuell. Jeder Klick und jeder Download verlängert die Schändung der hilflosen Kinder".

Die Initiatorin der Online-Petition macht sich keine Hoffnung, das Netzsperren-Konzept der Bundesregierung aufhalten zu können. "Ich bin realistisch genug, dass es nicht so einfach geht. Aber wir können der Politik klarmachen, dass sie nicht im Sinne des Volkes handelt", sagte Franziska Heine. Sie hoffe, dass nun viele Bürger außerhalb des Internets aktiv würden.

Ausgangspunkt der Petition war der Vorstoß von Familienministerin Ursula von der Leyen, Kinderpornografie-Seiten zu sperren. Die Petitenten, also die Verfasser des Antrags, kritisieren dieses Vorhaben. Im Petitionstext heißt es: „Wir sehen darin eine Gefährdung des Grundrechtes auf Informationsfreiheit.“ Das Ziel, Kinder zu schützen, wird nicht infrage gestellt. Aber: „Dass die im Vorhaben vorgesehenen Maßnahmen dafür denkbar ungeeignet sind, wurde an vielen Stellen offengelegt und von Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen mehrfach bestätigt.“

Geplante Sperren sind leicht zu umgehen

Zum Beispiel liegen viele der Webangebote, die beanstandet werden, auf deutschen Servern. Polizei und Justiz hätten somit die Möglichkeit, diese Server zu beschlagnahmen und direkt gegen die Betreiber vorzugehen. Außerdem sind die zurzeit geplanten sogenannten DNS-Sperren auch von Laien leicht zu umgehen, halbminütige Videos im Internet zeigen, wie es geht.

In einem Gespräch mit Tagesspiegel.de vergleicht Franziska Heine, Hauptpetitentin des Antrags, das System mit einem Zeitungskiosk. „Wenn da jetzt Magazine mit Kinderpornos sind, dann werden sie entfernt. Nach dem geplanten Gesetz wird es so sein, dass nur Bettlaken davorgehängt werden“, sagt die 29-Jährige. Im Internet würde das dazu führen, dass Nutzer, die eine illegale Seite aufrufen wollen, stattdessen auf einer Stopp-Seite der Bundesregierung landen.

Zensur aus politischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Motiven befürchtet

Das Thema gehe nicht nur „merkwürdige Nerds und Geeks“ etwas an, meint Heine im Blog des Internet-Theoretikers Sascha Lobo. „Es werden Strukturen geschaffen, die dazu geeignet sind, elementarste Grundrechte zu beschneiden“, während das "eigentliche Problem“ der Kinderpornografie bleibe. Der Chaos Computer Club (CCC) etwa befürchtet nach einer Einführung der Sperrungsinfrastruktur auch eine Zensur anderer Seiten - "sei es aus politischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Motiven", wie der CCC auf seiner Website erklärt.

„Kinderpornografie wird als Mittel zum Zweck missbraucht“, sagt Heine, „es geht aber um die Einschränkung der Informationsfreiheit.“ Das sehen auch Missbrauchsopfer so. Der Verein „Trotz allem“, der sexuell missbrauchte Frauen unterstützt und berät, begründet in einem offenen Brief an Ursula von der Leyen Forderungen nach anderen Maßnahmen: „Internetsperren lassen sich leicht umgehen. Niemand landet zufällig auf Kinderpornografieseiten. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass nicht nur Kinderpornograhieseiten gesperrt werden.“ So ist zum Beispiel die Seite lapsiporno.info von Finnland aus nicht zu erreichen. Die kritische Website veröffentlichte die im Land aktive Sperrliste und enthüllte, dass die überwiegende Mehrheit der blockierten Seiten kein kinderpornografisches Material enthält.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie man an der Petition teilnehmen kann

Twitter-Szene verbreitete Nachricht von der E-Petition

Als Hauptpetitentin Franziska Heine am 17. April gegen die Unterzeichnung der Erklärung zwischen Ursula von der Leyen und fünf großen Internet-Providern protestierte, in der Sperrmaßnahmen beschlossen wurden, wurde ihr die Machtlosigkeit der Aktivisten deutlich. Als sie im Nachhinein mit zwei Freundinnen über das Thema redete, reichten sie eine Petition auf der Website des Deutschen Bundestags ein. Am Morgen des 4. Mai bemerkte Heine, dass ihre Petition bereits mitgezeichnet werden konnte. Mit ihr über das Mikroblog-Netzwerk Twitter verbundene Menschen hatten die Petition entdeckt und zu ihrer Verbreitung beigetragen. „Wenn die wichtigen Leute in dem Netzwerk das entdecken, dann wissen sehr schnell sehr viele davon“, erklärt Heine.

Auf der Seite des Deutschen Bundestages kann sich jeder anmelden, um Petitionen mitzuzeichnen. Wie ein Referent im Petitionsausschuss erklärt, werden nach der Mitzeichnungsfrist von sechs Wochen grundsätzlich alle Petitionen vom Ausschuss besprochen. Wenn, wie in diesem Fall, innerhalb der ersten drei Wochen mindestens 50.000 Stimmen zusammen kommen, wird die Sitzung zudem öffentlich abgehalten. Das heißt, die Besprechung zwischen Petitionsauschuss, zuständigen Ministern, Staatssekretär und Petitent wird nicht nur frei zugänglich, sondern auch als Video im Internet zu sehen sein. Am Ende der Sitzung geben alle Beteiligten ein Votum ab. Dieses stellt jedoch lediglich eine Empfehlung an den Bundestag dar, der das Thema dann weiter behandelt.

Mitzeichnen ist noch bis Mitte Juni möglich

Online-Petitionen sind noch ein recht junges Phänomen. Die meisten Mitzeichner, nämlich 128.193, hatte bisher im Juni 2008 ein Antrag zur „Halbierung der Besteuerung von Diesel und Benzin“. Laut dem Referenten des Petitionsausschusses kann diese Zahl allerdings nicht mit neuen Zahlen verglichen werden, da im Oktober 2008 ein neues elektronisches System eingeführt wurde. Mehrfaches Abstimmen wäre viel einfacher möglich gewesen.

Im neuen System hält bisher die Petition zur Einführung des Grundeinkommens den Rekord. 52.973 Unterstützer fand der Antrag nach sechs Wochen. Nach drei Wochen hatte das Anliegen nur rund 1500 Mitzeichner. Erst dann nahm das Thema an Fahrt auf. Die Mitzeichner des Themas Internetzensur seien natürlich wesentlich besser vernetzt, meint der Referent des Petitionsausschusses. Deshalb kämen hier wesentlich schneller mehr Stimmen zusammen.

Zurzeit (Stand 8. Mai, 13:34 Uhr) hat die Petition gegen die Internetzensur bereits 53.873 Mitzeichner. Eine Mitzeichnung ist noch bis zum 16. Juni 2009 möglich. (mit dpa)

Jörg Zeipelt

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