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Netzsperren: Keine Allmacht für das BKA

Wir sollten gegen Kindesmissbrauch kämpfen, wo wir nur können. Aber mit demokratischen Mitteln. Das Netzsperrengesetz ist undemokratisch. Ein Kommentar von Kai Biermann

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, um den Zugang zu Kinderpornografie im Netz zu erschweren und ein gesellschaftliches Signal zu setzen. Die Ächtung stehe "ganz klar im Vordergrund", sagte Familienministerin Ursula von der Leyen bei der Vorstellung. Großartig. Wir sollten Kinderpornografie bekämpfen und ächten, wo wir nur können. Aber bitte nur mit demokratischen Mitteln. Das "Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen" aber ist nicht demokratisch.

Die Listen, die Basis der geplanten Sperrungen sind, werden vom Bundeskriminalamt erstellt, aktualisiert und verbreitet. Niemand sonst als das BKA und eine möglichst geringe Zahl von Mitarbeitern bei den Internetprovidern darf sie sehen. Die Provider müssen die Listen laut Gesetz "gegen Kenntnisnahme durch Dritte" sichern und sie kommentarlos umsetzen. Gleichzeitig werden nicht nur die darauf aufgeführten Seiten blockiert. Es kann auch jeder Zugriff auf diese Seiten "zeitgleich" protokolliert werden, wie von der Leyen sagte. Dem BKA steht es frei, diese Daten zur Strafverfolgung zu nutzen.

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Die Sperrlisten sollen nicht nur Seiten erfassen, die kriminelle Bilder enthalten, sondern auch solche, die auf solche Seiten verweisen. Im Zweifel also auch Seiten wie Wikileaks, die sich um Öffentlichkeit und Aufklärung bemühen und wo schon mehrfach Sperrlisten veröffentlicht wurden.

Ein Gedankenspiel: Ersetzen wir Internet durch Telefon und Kinderpornografie durch einen beliebigen strafrechtlich relevanten Begriff wie Drogenhandel. Mit einem solchen Gesetz dürfte das BKA und nur das BKA entscheiden, wessen Telefon abgeklemmt wird, es dürfte jede Telefonnummer protokollieren, die versucht, den gesperrten Anschluss anzurufen, und es dürfte gegen die Anrufer mit all seinen technischen und personellen Mitteln vorgehen. Und das alles, ohne dass es irgendeine demokratische Kontrolle fürchten müsste.

Kein Richter überprüft die Sperrlisten

Niemand könnte bei diesem Vorgehen nachvollziehen, warum ein Anschluss gesperrt wurde und welche Anrufer warum beobachtet, abgehört und durchsucht werden. Niemand dürfte fragen, ob wirklich Verbrecher gejagt würden, oder ob nicht ein Polizist illegalerweise seine Freundin und deren Geliebten überwacht – was schon geschehen ist.

Genau diesen Freibrief aber plant das nun vorgelegte Gesetz. Das BKA ist nur verpflichtet, "Unterlagen vorzuhalten, mit denen der Nachweis geführt werden kann, dass die in der Sperrliste aufgeführten Einträge zum Zeitpunkt ihrer Bewertung (...) die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllten".

Kein Richter überprüft die Sperrlisten, keine parlamentarische Kontrollkommission, kein Datenschutzbeauftragter. Das BKA ist Ermittler, Ankläger und Richter in einer Person! Bei der Telefonüberwachung muss ein Richter vorher prüfen, ob sie gerechtfertigt ist. Nicht erst hinterher und nur, falls sich jemand beschwerte.

In Grundrechte einzugreifen, kann notwendig sein. Aber jede Kontrolle zu verhindern, ob ein solcher Eingriff überhaupt gerechtfertigt ist, ist undemokratisch. Immerhin bedeutet Demokratie, Gewalten zu teilen. Keine staatliche Gewalt darf agieren, ohne dass eine andere eingreifen und überwachen kann. Keine Allmacht, auch nicht für das BKA! (Zeit Online)

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