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Netzsperren: Piratenpartei: Tauss ist willkommen

Der Internetexperte verlässt SPD aus Protest gegen Kinderporno-Sperren. Nun wächst der Druck auf den Abgeordneten, sein Bundestagsmandat niederzulegen.

Berlin - Nach dem Austritt des ehemaligen medienpolitischen Sprechers Jörg Tauss aus der SPD wächst der Druck auf den Abgeordneten, sein Bundestagsmandat niederzulegen. Die „Piratenpartei“ begrüßte den beabsichtigten Eintritt Tauss’ in die Gruppierung. Tauss, gegen den ein Ermittlungsverfahren der Karlsruher Staatsanwaltschaft wegen des Besitzes von Kinderpornografie anhängig ist, hatte am Samstag seinen Austritt aus der SPD verkündet. In einer Erklärung begründete er seinen Schritt mit „Fehlentwicklungen“ in der Innen-, und Rechtspolitik; „vorläufiger Höhepunkt“ sei die Zustimmung der SPD zum Gesetz für Internetsperren gegen Kinderpornografie am Donnerstag gewesen. „Ich bin und bleibe Sozialdemokrat – und werde deshalb ein Pirat“, schrieb Tauss auf seiner Homepage.

„Das begrüßen wir sehr“, sagte Jens Seipenbusch, stellvertretender Chef der Partei, dem Tagesspiegel. Seine Gruppierung stünde seit mehreren Tagen in Kontakt zu dem Abgeordneten. Gegen Tauss gelte die Unschuldsvermutung, sagte Seipenbusch. Bedingungen für einen Parteieintritt gebe es nicht. Tauss sei im Ortsverband Karlsruhe, dem Wohnort des Abgeordneten, „willkommen“.

Die Piratenpartei setzt sich für einen freien Zugang zum Internet ohne staatliche Kontrolle und eine Lockerung des Urheberrechts ein. In Deutschland hat die Gruppe, die von einer Parteigründung in Schweden inspiriert wurde, nach eigenen Angaben rund 900 Mitglieder.

SPD-Kreise vermuteten einen Zusammenhang zwischen dem Austritt Tauss’ und Vorkommnissen bei einer Fraktionssitzung am Dienstag. Tauss hatte dort lautstark eine namentliche Abstimmung um das am Donnerstag verabschiedete Gesetz gefordert und die Vermittlungsergebnisse einer SPD-Arbeitsgruppe infrage gestellt. „Das macht man nicht. Erst recht nicht in seiner Situation“, sagte ein Abgeordneter. Fraktionsschef Peter Struck hatte Tauss nach Teilnehmerangaben deutlich zurechtgewiesen. Tauss und andere Kritiker lehnen das Gesetz als Einfallstor für Zensur ab. FDP, Grüne und Linke stimmten im Bundestag gegen die Neuregelung, da sie ihrer Meinung nach unwirksam im Kampf gegen Kinderpornografie sei.

Die baden-württembergische SPD- Chefin Ute Vogt forderte Tauss auf, sein Mandat zurückzugeben. „Wir müssen diesen Schritt zur Kenntnis nehmen und fordern ihn auf, sein Bundestagsmandat zurückzugeben“, sagte sie am Samstag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Das sei die zwangsläufige Konsequenz aus seinem SPD-Austritt. Tauss lehnte das ab. „Bis Ende der Legislaturperiode werde ich der erste Abgeordnete der Piratenpartei im Bundestag sein“, sagte er der dpa.

Gegen Tauss wird wegen Besitzes von kinderpornografischem Material ermittelt. Deshalb war er von seinen Ämtern als Sprecher für Bildung und Forschung sowie als Generalsekretär der baden-württembergischen SPD zurückgetreten. Seit 1994 sitzt er im Bundestag. Tauss bestreitet die gegen ihnen erhobenen Vorwürfe, hat gegenüber dem Tagesspiegel aber eingeräumt, zu „dienstlichen Zwecken“ Material erworben zu haben. SB

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