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Netzwerke: Hunderte Lobbyisten arbeiten in Ministerien

Sie sitzen an der Quelle – und ihre Unternehmen profitieren davon. Es geht um die Arbeit von Lobbyisten in Bundesministerien. Auf die Frage nach der Motivation, Vertreter von Interessengruppen zu beschäftigen, geben die Ministerien interessante Antworten.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Dass der fragwürdige Vorgang schon mal vorgekommen war im riesigen Betrieb der Bundesregierung, davon hatte man bereits vor Jahren gehört. Doch nun ist das ganze nicht nur höchst amtlich. Man sieht auch: Es passiert hundertfach. Es hat System. Bis heute.

Es geht um die Arbeit von Lobbyisten aus der Wirtschaft in den Bundesministerien – und damit genau dort, wo die Gesetze gemacht werden, die später ihre Wirkung entfalten, wo ebendiese Lobbyisten bezahlt werden. Es geht also um den Kernbereich der Demokratie und um die Frage, über welche Art Gesetz unabhängige Parlamentarier eigentlich entscheiden: über solche, die unabhängige Beamte ohne persönliche Interessen erarbeitet haben, oder doch eher um solche, in denen die ganz eigenen Interessen von Unternehmen oder ganzen Wirtschaftszweigen bereits eingearbeitet sind.

Der Bundesrechnungshof hat nun erstmals in einer 60 Seiten umfassenden Untersuchung herausgearbeitet, dass zwischen 2004 und 2006 insgesamt rund 300 sogenannte Lobbyisten in den Ministerien des Bundes und in obersten Bundesbehörden beschäftigt waren. Zum Teil waren es Mitarbeiter von großen Konzernen, zum Teil wurden sie von Wirtschaftsverbänden oder wissenschaftlichen Einrichtungen entsandt.

Auf ihre Frage nach der Motivation von Bundesministerien, die Vertreter von Interessengruppen in ihren Häusern – zum Teil über Jahre hinweg – zu beschäftigen, erhielt der Bundesrechnungshof verschiedene Erklärungen. Einerseits behaupteten die Ministerien, man pflege auf diese Art Kontakte, tausche Mitarbeiter und damit Kompetenzen aus. Oft begründeten die Ministerien jedoch den Einsatz auch damit, dass ihnen Kompetenzen und vor allem Manpower fehle. Das heißt, die Ministerien gaben ganz offen zu, zu wenig Mitarbeiter zur Erarbeitung eines Gesetzes oder einer Verordnung zu haben und deshalb auf die Mitarbeit von Lobbyisten angewiesen zu sein. Kein Wunder, dass der Bundesrechnungshof zu der Erkenntnis kommt, dass den Ministerien die Bedeutung dieses Handelns oft nicht bewusst sei. Denn Lobbyisten würden ganz praktisch Zugang zu den Schaltstellen der Ministerien bekommen. Dort seien sie zum Teil als Referatsleiter an der Erarbeitung von Gesetzen beteiligt, an denen ihre Arbeitgeber großes Interesse haben. Außerdem hätten sie auch Einfluss auf die Vergabe von öffentlichen Mitteln in Ausschreibungen. Man stelle sich das vor: Ein Ministerium vergibt Forschungsmittel, und in der Vergabeabteilung sitzt ein Mitarbeiter eines der Unternehmen, die sich beworben haben. Kein theoretischer Fall, sondern laut Rechnungshof ein ganz praktischer.

Besonders brisant: In mehr als 60 Prozent werden die Lobbyisten auch in ihrer Einsatzzeit in den Ministerien von den entsendenden Verbänden und Unternehmen weiterbezahlt. Nicht selten bitten die Ministerien sogar darum. Diese Bezahlung durch Unternehmen und Verbänden lasse befürchten, „dass Interessenkonflikte oder zumindest in der Außenwahrnehmung der böse Schein fehlender Neutralität entstehen“, beklagen die Bundesrechnungshof-Prüfer.

Keineswegs kamen die Prüfer in ihrem Bericht an den Haushaltsausschuss zu dem Urteil, dass solche „externen“ Mitarbeiter nun überhaupt nicht mehr anzustellen sein. Allerdings fordert der Bundesrechnungshof von der Bundesregierung einen „einheitlichen Verhaltenskodex“ für den Einsatz von Konzernmitarbeitern, die mit konkreten Aufgaben in Ministerien betraut sind. Sie sollten an Gesetzen, Gesetzentwürfen und Vergabeverfahren nicht teilnehmen dürfen. Auch sollten sie grundsätzlich von der Bundesregierung bezahlt werden und nicht von Unternehmen oder Verbänden.

Dass sich trotz eines solchen Kodexes Interessenkollisionen – auch eine Art Korrumpierbarkeit – in den Ministerien nicht ausschließen lassen, ist den Rechnungshof-Prüfern durchaus bewusst. Was sie bemängeln ist, dass sich der Gesetzgeber sozusagen im vollen Bewusstsein von Lobbyisten seine Gesetze erarbeiten lässt.

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