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Deutsche Soldaten 2013 in Kundus. Die Stadt wurde vor wenigen Monaten von den Taliban überrannt.

© dpa

Neue Auslandseinsätze deutscher Soldaten: Die Bundeswehr in gefährlicher Mission

Vom Hindukusch bis zur Sahara: Deutsche Soldaten bereiten sich auf weitere Aufgaben im Ausland vor. Welche Risiken und Herausforderungen kommen 2016 auf sie zu?

Die Bundeswehr wird 2016 in neue gefährliche Missionen geschickt. Auch in Afghanistan und im Kosovo ist an einen Rückzug nicht zu denken. Und die Flüchtlingsrettung im Mittelmeer und die Piratenjagd am Horn von Afrika gehen ebenfalls weiter. Deshalb wird nun über eine Aufstockung der Truppe debattiert.

Welche neuen Einsätze kommen 2016 auf die Bundeswehr zu?

Insgesamt 3084 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind derzeit im Auslandseinsatz. 2016 werden es deutlich mehr. Anfang Januar fliegen nicht nur weitere Tornado-Besatzungen in die Türkei, um sich am Einsatz gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien zu beteiligen.

Bis Mitte des Jahres sollen außerdem bis zu 650 Bundeswehrsoldaten in Mali stationiert werden. Dieser Einsatz dürfte für die Soldaten deutlich gefährlicher werden als die Luft-Mission über Syrien. Denn die Bundeswehr wird in Mali in einer sehr unruhigen Region unterwegs sein – und zwar am Boden.

Mali wird von terroristisch-islamistischen Rebellen bedroht, die sich Anfang 2013 sogar schon in Richtung der Hauptstadt Bamako bewegten. Damals hatten sich schwer bewaffnete Söldner und Islamisten aus Libyen mit Tuareg-Rebellen in Mali verbündet. Eine UN-Mission (Minusma) und auch französische Truppen versuchen, das Land zu stabilisieren. Im Norden sind die Islamisten jedoch weiter präsent. Minusma wurde daher auf jetzt 12.680 Soldaten aufgestockt. 56 der UN-Soldaten kamen in den vergangenen zweieinhalb Jahren ums Leben. Das sind mehr als im deutschen Afghanistan-Einsatz.

Was ändert sich für die Deutschen in Mali?

Deutschland stellt für den UN-Einsatz Minusma derzeit lediglich Stabssoldaten. Parallel beteiligt sich die Bundeswehr mit 235 Pionieren an einer Ausbildungsmission der EU für die malische Armee. Für alle galt bisher: Mali ist ein heißer aber kein sonderlich gefährlicher Standort.

Doch das dürfte sich mit der geplanten Aufstockung ändern. Deutsche Soldaten sollen künftig Lager und Gebäude der Minusma schützen und die Niederlande bei der Aufklärung des Rebellengebiets unterstützen. Damit gerät die Bundeswehr direkt ins Visier der Islamisten. Noch Ende November starben bei einem Raketenangriff von Rebellen auf ein Minusma-Lager zwei Soldaten und ein Zivilist. Anders als in Syrien sollen die Deutschen in Mali zudem nicht aus der Luft aufklären. Die Soldaten werden zwar Aufklärungsdrohnen im Gepäck haben, sie werden sich aber auch mit Fahrzeugen im Norden Malis bewegen.

Lässt sich Deutschland in Mali auf unkalkulierbare Risiken ein?

Manch einer im Bundestag sieht in Mali schon ein zweites Afghanistan heraufziehen. „Mali wird kein Spaziergang“, sagt auch Niels Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD. Dem Afghanistan-Vergleich will er sich aber nicht anschließen. „Unser Auftrag in Mali lautet nicht, Gegner des Friedensabkommens zu bekämpfen“, erklärt er. Vielmehr gehe es darum, den UN-Truppen im Norden Malis durch Aufklärungs-Unterstützung ein besseres Lagebild zu verschaffen.

Dennoch müssten sie Soldaten mit einer robusten Bewaffnung ausgestattet werden, um sich bei Angriffen und Anschlägen schützen zu können. „Die Gefahren sind real und müssen ehrlich angesprochen werden", sagt Annen. Anfang Januar will das Kabinett über das Mandat für die zusätzlichen Soldaten beraten, Ende Januar könnte dann der Bundestag darüber abstimmen. Annen will den Einsatz befürworten. „Die Sicherheitslage darf kein Argument gegen einen solchen Einsatz sein“, sagt er. Die Stabilisierung Malis sei von entscheidender Bedeutung für die gesamte Region. „Die Bundeswehr kann hier wichtige Fähigkeiten beisteuern, die Minusma dringend benötigt.“ Dies gelte besonders für die Aufklärung. „Das Lagebild ist lückenhaft.“

Wie geht es in Afghanistan weiter?

In Afghanistan selbst wird die Bundeswehr im kommenden Jahr ebenfalls wieder mehr gefordert sein. Ein Jahr nach dem Ende des Kampfeinsatzes bildet sie im Rahmen der Nato-Mission „Resolute Support“ am Hindukusch weiter afghanische Sicherheitskräfte aus. Die USA und Großbritannien beteiligen sich außerdem mit Spezialkräften weiter an Militäroperationen gegen Aufständische.

2016 sollten die Nato- Truppen allmählich reduziert werden. Doch angesichts der angespannten Sicherheitslage legte das Verteidigungsbündnis diese Pläne kürzlich auf Eis – und verabschiedete sich damit auch von seinem Ziel, Ende 2016 Afghanistan endgültig zu verlassen. Deutschland beschloss im Dezember, seine Truppen um 130 Mann auf bis zu 980 aufzustocken. „Der ursprüngliche Plan war zu ehrgeizig, und er war zu schnell“, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bei der Verabschiedung des neuen Mandats im Bundestag.

Selbst jetzt, während der Wintermonate, in denen sich die Taliban in früheren Jahren mit Angriffen zurückgehalten hatten, gibt es beinah täglich Meldungen über Geländegewinne der Aufständischen. Kurz vor Weihnachten gelang ihnen sogar ein Anschlag auf eine Fußpatrouille von afghanischen und US-amerikanischen Soldaten. Dabei kamen viele Soldaten ums Leben.

Deutsche Soldaten hatten Ende September hautnah erfahren müssen, wie die Taliban Ende September die nordafghanische Provinzhauptstadt Kundus quasi im Sturm eroberten. Militärberater der Bundeswehr flogen mehrfach in die umkämpfte Stadt, die bis zum Herbst 2013 unter deutschem Kommando gestanden hatte, um die afghanische Armee bei ihrer Rückeroberungsoffensive zu beraten. Dass die Taliban schließlich zurückgedrängt werden konnten, beruhigte weder die Strategen der Nato in Brüssel noch jene in Berlin oder Washington. Ihr Coup markierte einen Wendepunkt und veranlasste die Nato, den endgültigen Abzug zu überdenken. Einen neuen Kampfeinsatz soll es aber nicht geben. Und so bleibt auch der Auftrag der deutschen Soldaten weiter auf die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte beschränkt.

Welche Einsätze muss die Bundeswehr zusätzlich noch stemmen?

Afghanistan, Syrien und Mali sind aber nicht die einzigen aktuellen Einsätze der Bundeswehr. Auch im Kosovo konnte der schrittweise Abbau der Friedenstruppen mit deutsche Beteiligung wegen neuer Spannungen nicht wie geplant umgesetzt werden. Die Marine ist zudem weiter bei der Piratenabwehr am Horn von Afrika und der Flüchtlingsrettung im Mittelmeer aktiv.

Insgesamt werden 2016 mehr als 4000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz sein. Damit ist die Bundeswehr mit ihren aktuell rund 178.000 Soldatinnen und Soldaten noch immer deutlich weniger belastet als in früheren Jahren. Allein in Afghanistan waren zeitweise mehr als 5000 Soldaten stationiert, insgesamt waren es weltweit schon rund 10.000.

Für eine ganze Reihe von Spezialisten kann die Regel, wonach ein Soldat nur alle zwei Jahre zu einem Auslandseinsatz herangezogen werden sollte, aber auch jetzt kaum eingehalten werden. Grundsätzlich gilt zudem: Jeder Einsatzposten bindet drei Soldaten, denn während einer im Einsatz Dienst tut, befindet sich der Nachfolger bereits in der Vor- und der Vorgänger in der Einsatznachbereitung. Auch Logistiker und andere Unterstützungskräfte wie Sanitätspersonal werden durch die Einsätze gebunden.

Ist die Truppe für die Herausforderungen gut gerüstet?

Die Bundeswehr wurde in Afghanistan stark beansprucht. Das hat auch beim Material deutliche Verschleißerscheinungen hinterlassen. Die Ausrüstung der Bundeswehr wurde ganz auf die Bedürfnisse der Soldaten im Kampfeinsatz ausgerichtet. Andere Anschaffungen mussten dahinter zurückstehen. So investierte die Bundeswehr in geschützte Fahrzeuge und Kampftechnik wie Nachtsichtgeräte, während der Marine für den Anti-Pirateneinsatz am Horn von Afrika zeitweise kein flugtauglicher Marinehubschrauber zur Verfügung stand.

Als jetzt der Einsatz deutscher Tornado-Aufklärer für den Krieg gegen den „Islamischen Staat" beschlossen wurde, stellte sich heraus, dass nicht einmal jeder zweite Tornado der Bundeswehr einsatzbereit ist. Deshalb werden nun auch Forderungen nach einer Aufstockung des Verteidigungshaushalts laut.

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