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Neue Bedrohungen: Nato diskutiert Cyber-Attacken

In der Allianz wird diskutiert, wie eng die Nato angesichts von Cyber-Attacken zusammenstehen soll.

Elf Seiten umfasst das Konzept, das der Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ausgearbeitet hat. In dem Papier werden die Leitlinien für das militärische Bündnis im 21. Jahrhundert beschrieben – in einer Welt, in der der Kalte Krieg Geschichte ist, in der dafür aber neue Bedrohungen wie Cyber-Attacken aufgetaucht sind. Das neue strategische Konzept der Nato soll endgültig bei einem Gipfel in Lissabon am 19. und 20. November beschlossen werden. An diesem Donnerstag wollen die Außen- und Verteidigungsminister des Bündnisses erstmals über Rasmussens Konzept beraten. Dabei wollen die Minister einen Beschluss zur Schaffung eines gemeinsamen Raketenschutzschirms für Europa vorbereiten. Konfliktstoff birgt hingegen vor allem ein anderer Punkt: die Frage, welche Rolle das nukleare Drohpotenzial des Bündnisses künftig spielen soll.

Auch wenn die 28 Nato-Staaten noch an dem bislang geheimen Entwurf des Dänen Rasmussen feilen, so zeichnet sich bereits jetzt ab, dass der Artikel 5 des Transatlantikpakts auch künftig der zentrale Baustein der Allianz bleiben soll. Dieser Artikel legt fest, dass durch den Angriff auf einen einzelnen Nato-Staat sofort das gesamt Bündnis auf den Plan gerufen wird – so war es auch am 12. September 2001, als nach den Anschlägen von New York der Bündnisfall ausgerufen wurde. Bei den gegenwärtigen Beratungen über das neue Nato-Konzept ist allerdings noch strittig, ob auch eine Attacke aus dem Internet, wie sie der Baltenstaat Estland vor drei Jahren erlebte, oder auf die Energieversorgung einen militärischen Verteidigungsfall auslösen können soll. Vor allem die Bundesregierung bleibt in diesem Punkt skeptisch. Deutschland gehört zu den Staaten in der Allianz, die dafür plädieren, dass auch künftig lediglich ein bewaffneter Angriff – und nicht etwa eine Cyber-Attacke – den Bündnisfall auslösen kann. In Berlin wird dabei nicht zuletzt auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts verwiesen, das eine Umdeutung des Nato-Vertrages und damit der Beistandspflicht nach Artikel 5 nicht zulässt.

In dem neuen Nato-Konzept, das das alte Papier von 1999 ersetzt, soll zudem die Nuklearstrategie des Bündnisses an die aktuelle Lage angepasst werden. Im Text wird sich auf jeden Fall die Vision einer atomwaffenfreien Welt von US-Präsident Barack Obama wiederfinden. Das heißt aber nicht, dass schon beim Gipfel in Lissabon beschlossen werden würde, die 15 bis 20 in Deutschland verbliebenen US-Kernsprengköpfe abzuziehen, wie das Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) fordert. Erreicht hat Berlin immerhin, dass diese taktischen Atombomben im neuen Konzept nicht mehr explizit als „essenzielle transatlantische Verbindung“ erwähnt werden. Wenn es nach dem Wunsch Deutschlands geht, sollen Abrüstung und Rüstungskontrolle außerdem im neuen Konzept als Kernaufgabe des Bündnisses verankert werden. Darüber hinaus wird die Verteidigungsallianz erstmals einen Ausschuss für Abrüstungsfragen gründen.

Einzig Frankreich mag dabei noch nicht mitspielen. In Paris wehrt man sich dagegen, die eigene atomare „Force de Frappe“ den Entscheidungen der Allianz unterzuordnen. So wird im Brüsseler Nato-Hauptquartier fieberhaft daran gearbeitet, Formulierungen zu finden, die auch die Franzosen einbinden. Diesem Zweck dient auch ein Besuch, den der Nato-Chef Rasmussen dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy am Freitag in Paris abstatten will.

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