zum Hauptinhalt

Politik: Neue Freunde, neue Feinde

Die Türkei kann auf die Hilfe Griechenlands und Zyperns beim EU-Beitritt hoffen / Aber Frankreich geht jetzt mit Merkel auf Distanz

Die Sommerpause geht zu Ende, der Streit um die türkische EU-Mitgliedschaft lebt wieder auf. Kommende Woche wollen die EU-Außenminister in Wales darüber sprechen, ob die Beitrittsverhandlungen mit Ankara wie geplant am 3. Oktober beginnen sollen. Vor dem Treffen zeichnet sich ein kurioses Bild ab. Frankreich, das bisher eher türkeifreundlich war, würde die Verhandlungen gerne verschieben. Dagegen könnten ausgerechnet die traditionellen Gegner der Türken – Griechenland und Zypern – zu den besten Verbündeten Ankaras werden. Die türkische Regierung gibt sich deshalb zuversichtlich. Verärgerung löste in Ankara jedoch der am Freitag bekannt gewordene Brief von Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel mit der Forderung nach einer „privilegierten Partnerschaft“ mit der Türkei aus.

Die türkische Regierung geht davon aus, dass Merkel nach einem Wahlsieg die Beitrittsverhandlungen nicht blockieren wird, weil sie sich sonst gegen den EU-Beschluss vom Dezember stellen würde. Damals hatte die EU der Türkei Verhandlungen mit dem Ziel der Mitgliedschaft zugesagt. Aus wahlkampftaktischen Gründen nun nachträglich die Verankerung der „privilegierten Partnerschaft“ als Verhandlungsziel zu fordern, sei unfair, hieß es in der türkischen Hauptstadt. Der Parlamentsabgeordnete und Europapolitiker Ali Riza Aliboyun warf Merkel vor, die Türkei als „politische Munition“ zu missbrauchen. Unterdessen meldete der türkische Nachrichtensender NTV unter Berufung auf die britische EU-Ratspräsidentschaft, die von Merkel geforderte Erwähnung der „privilegierten Partnerschaft“ im Verhandlungsrahmen für die Türkeigespräche komme nicht in Betracht.

Noch weiter als Merkel geht der französische Präsident Jacques Chirac. Er kritisierte die türkische Haltung zu Zypern und sagte: „Von einem EU-Beitrittskandidaten wird anderes erwartet.“ Regierungschef Dominique de Villepin fordert, die Beitrittsverhandlungen müssten verschoben werden, bis Ankara die griechische Republik Zypern offiziell anerkennt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dies weniger der Sorge um das Wohl Zyperns als innenpolitischen Motiven entspringt.

Dies ist auch den Regierungen von Zypern und Griechenland nicht entgangen. Sie wollen vermeiden, als Vehikel für politische Manöver Frankreichs herhalten zu müssen. Für den zyprischen Präsidenten Tassos Papadopoulos und den griechischen Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis gibt es aber einen noch wichtigeren Grund, sich der Forderung nicht anzuschließen. Athen und Nikosia befürchten, dass sie jeden Einfluss auf Ankara verlieren, wenn die EU durch ein Nein zum Verhandlungsbeginn die Türkei vor den Kopf stoßen sollte. Sie streben deshalb eine Anerkennung Zyperns durch die Türkei im Laufe der Beitrittsverhandlungen an.

Insbesondere Karamanlis betont immer wieder das Eigeninteresse Griechenlands an einer Türkei, die durch den EU- Prozess demokratisiert und damit gewissermaßen gezähmt wird. Eine Ablehnung der Türkeiverhandlungen würde bedeuten, alle politischen Vorteile über Bord zu werfen, die der lange Verhandlungsprozess für Athen und Nikosia mit sich bringen könnte, kommentierte der türkische Journalist Mehmet Ali Birand.

In der Frage der Anerkennung Zyperns könnte es schon bald Zwischenschritte wie die Öffnung türkischer Häfen für griechisch-zyprische Waren geben: Eine Türkei, die den Abbruch ihrer Beitrittsverhandlungen befürchten muss, dürfte kompromissbereiter sein als ein Land, das trotz der gemachten Zusage abgewiesen wird. Wenn sich Zypern und Griechenland weitere Zugeständnisse der Türken sichern wollten, „dann müssen sie Frankreich bremsen“, schrieb Birand.

Die türkische Regierung bleibt trotz der Berichte über ein französisches Veto optimistisch. Hochrangige Diplomaten aus Ankara reisen vor dem Treffen der EU-Außenminister durch westeuropäische Hauptstädte, um die türkische Haltung darzulegen und etwaige Gegenpositionen zu erkunden. Bisher gibt es nach Angaben aus türkischen Regierungskreisen kein Signal für ein Veto. „Wir glauben, dass am Ende die Verhandlungen beginnen werden“, sagt ein Regierungsvertreter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false