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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan muss ein Scheitern einräumen.

© -/Pool Presidential Press Service/AP/dpa

Neue Großoffensive im Irak möglich: Geiselbefreiung gescheitert – Erdogan muss Misserfolg eingestehen

Die türkische Regierung wollte Gefangene aus der Gewalt der PKK im Nordirak befreien. Die Aktion scheiterte. Jetzt werden unangenehme Fragen an Erdogan laut.

Eine „Freudenbotschaft“ von Präsident Recep Tayyip Erdogan hatten regierungsnahe Medien in der Türkei vorige Woche angekündigt. Die türkische Armee hatte eine neue Offensive gegen die Terrororganisation PKK im Nordirak gestartet, mit einem zunächst noch geheimen Ziel.

Erdogans Regierung wollte mehr als ein Dutzend türkischer Gefangener aus der Gewalt der PKK im Nordirak befreien – anschließend wollte der Präsident die Geiselbefreiung verkünden und so aus dem Umfragetief herauskommen.

Doch die Militäraktion scheiterte, wie Erdogan jetzt zugeben musste: 13 türkische Gefangene starben, eine unbekannte Zahl weiterer Geiseln ist weiter in der Hand der PKK. Jetzt werden unangenehme Fragen an die Regierung laut. Der Misserfolg könnte eine noch größere Militäraktion der Türkei im Irak und neue Spannungen mit den USA auslösen.

Seit mehr als fünf Jahren waren einige der türkischen Geiseln, vorwiegend Soldaten und Polizisten, von der PKK gefangen gehalten worden; sie waren überwiegend bei PKK-Überfällen in der Türkei entführt worden.

Erdogan sagte bei einem Provinzparteitag seiner Regierungspartei AKP, der jüngste Einmarsch habe darauf abgezielt, die Gefangenen aus einem Höhlenkomplex am irakischen Berg Gara etwa 25 Kilometer südlich der türkischen Grenze zu befreien. „Wir haben es nicht geschafft“, fügte Erdogan hinzu.

PKK wirft Türkei vor, die Gefangenen selbst getötet zu haben

Nach türkischer Darstellung wurden die Geiseln von der PKK vor Ankunft der türkischen Truppen erschossen. Die PKK wirft dagegen der Türkei vor, die Gefangenen bei Luftangriffen selbst getötet zu haben.

Nun wird in der Türkei nach den Gründen für das Scheitern der Militäraktion gefragt. Die legale Kurdenpartei HDP und die Menschenrechtsorganisation IHD hatten nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren mehrmals in Kontakten mit der Regierung auf Verhandlungen mit der PKK gedrängt, um das Leben der Geiseln zu retten.

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Die Regierung habe dies aber abgelehnt. Auch Appelle von Familien der Geiseln seien ignoriert worden, erklärte der HDP-Parlamentsabgeordnete Faruk Gergerlioglu. Andere Kritiker wie der Kolumnist Emre Kongar von der Oppositionszeitung „Cumhuriyet“ stellen die Frage, wie es sein könne, dass die PKK auf türkischem Boden so viele Soldaten und Polizisten entführen konnte.

Der von der Regierung erhoffte Propaganda-Coup ist damit ins Gegenteil umgeschlagen. Schon vor der misslungenen Geiselbefreiung lag das Bündnis aus AKP und MHP in Umfragen mehr als sieben Prozentpunkte hinter der Opposition, vor allem wegen der schlechten Wirtschaftslage. Dazu kam, dass Erdogan am Tag der Beisetzungen der toten Geiseln an einer AKP-Veranstaltung teilnahm und vor tausenden Zuschauern die Mutter eines der Opfer anrief.

Der Ex-Premier und Erdogan-Kritiker Ahmet Davutoglu warf dem Präsidenten vor, auf dem Rücken der Opferfamilien Politik zu machen.

Erdogan setzt weiter auf Härte

Wie nach anderen Rückschlägen in der Vergangenheit setzt Erdogans Koalition auch nach dem Misserfolg im Nordirak innen- wie außenpolitisch auf Härte, um mit einem Appell an den türkischen Nationalismus die Kritik zu ersticken. Mehr als hundert Mitglieder der HDP wurden in den vergangenen Tagen wegen angeblicher Verbindungen zur PKK festgenommen.

Erdogans rechtsnationale Koalitionspartnerin, die Partei MHP, will ein Verbot der HDP beantragen, die drittstärkste Kraft im türkischen Parlament ist. Der HDP-Politiker Gergerlioglu berichtete, er erhalten wegen seiner Kritik an der Regierung inzwischen Morddrohungen.

MHP-Chef Devlet Bahceli forderte am Dienstag zudem eine Großoffensive im Irak. Die Türkei müsse das PKK-Hauptquartier in den Kandil-Bergen rund 100 Kilometer südlich der Grenze einnehmen, verlangte Bahceli. Außerdem sollten türkische Soldaten das Sindschar-Gebirge an der irakisch-syrischen Grenze besetzen, um die Verbindung zwischen der PKK und ihrem Ableger in Syrien zu unterbrechen.

Erdogan hatte in den vergangenen Jahren mehrmals mit einer Einnahme der Region Sindschar gedroht. Pro-iranische Milizen aus dem Irak haben laut Medienberichten tausende Kämpfer nach Sindschar geschickt, um einen möglichen türkischen Angriff abwehren zu können.

Auch der Dauerstreit zwischen der Türkei und den USA verschärft sich weiter. Erdogan und die türkischen Regierungsmedien werfen den USA vor, die PKK zu unterstützen, weil Washington im Kampf gegen den Islamischen Staat in Syrien mit dem PKK-Ableger YPG verbündet ist. Als NATO-Partner müssten die USA aufhören, „auf der Seite von Terroristen zu stehen“, sagte Erdogan.

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