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Ausgelagert: Eine alte Rakete wartet in der Studiensammlung der Bundeswehr auf Anschlussverwendung.

© BRH

Neue Kritik des Rechnungshofes: Teure Militärsammlung, träge Finanzverwaltung

Ein Bericht des Bundesrechnungshofes kritisiert gleich mehrere Ministerien und sieht ein Sparpotenzial von einer halben Milliarde Euro.

Seit 50 Jahren betreibt die Bundeswehr eine Wehrtechnische Studiensammlung. Es ist eine Anhäufung von mehr als 20000 alten Waffen, Geräten und Gegenständen, die irgendwann einmal von Heer, Marine oder Luftwaffe eingesetzt worden sind - nicht erst seit 1955, auch Wehrmachtswaffen sind darunter oder der Belagerungsmörser C/40 von 1877. Sie stehen und liegen in sechs Hallen, verteilt auf ganz Deutschland, ein Teil wird in einer Kaserne in Koblenz unter der Verantwortung des Bundesamtes für Ausrüstung und Informationstechnik in einer Ausstellung präsentiert, welche vom Verteidigungsministerium selbst als „begehbares Depot“ bezeichnet wird. Der Bundesrechnungshof hält die Sammlung schon seit 2004 für überflüssig und hat die Auflösung vorgeschlagen; der Bundestag forderte das Wehrressort 2011 auf, eine Entscheidung zu treffen. Was nicht geschah, die Sammlung existiert immer noch und kostet den Steuerzahler mindestens 3,7 Millionen Euro im Jahr. Die Ausstellung sehen immerhin 50 Besucher am Tag, von denen die meisten auch drei Euro Eintritt zahlen.

Ein „tragfähiges Konzept“, was aus der Sammlung werden könnte, so Rechnungshofpräsident Kay Scheller, gebe es bis heute nicht. Zwar wird über den Einsatz bei Lehrgängen und der technischen Ausbildung geredet oder über eine museale Verwendung, aber das Verteidigungsministerium kommt zu keiner Entscheidung. Das Bundesamt, in dessen Obhut die Sammlung ist, will sie weiterführen, inklusive Neubau und einer Verdreifachung des Personals. Laut Rechnungshof würde das in sieben Jahren 77 Millionen Euro kosten, mit jährlichen Folgekosten von mindesten 4,8 Millionen Euro. Die empfohlene Auflösung käme dagegen nur auf 16,6 Millionen Euro. Die jahrelange Verschleppung und Verzögerung einer Entscheidung zu einem Projekt, das nach Ansicht der Haushaltsprüfer nicht zu rechtfertigen ist, wird im neuen Zwischenbericht des Rechnungshofes aufgezeigt, die der Haushaltsauschuss im Bundestag demnächst beraten wird. Das "Entlastungspotenzial" der darin aufgelisteten zehn Prüfungsergebnisse beziffert Scheller auf eine halbe Milliarde Euro.

Ansprüche ausländischer Fonds

Der potenziell gravierendste Einwand der Kontrolleure betrifft aber nicht das Verteidigungsministerium, sondern das Ressort von Wolfgang Schäuble (CDU). Dem Bundesfinanzministerium wirft der Rechnungshof vor, bei der Reform des Investmentsteuerrechts zu schlafen und damit dem Steuerzahler möglicherweise Kosten im hohen dreistelligen Bereich zu verursachen. Eine ungleiche Besteuerung der Dividendenausschüttungen bei in- und ausländischen Fonds ist nicht mit EU-Recht vereinbar, erste Urteile dazu stammen aus dem Jahr 2006. Dass in diesen Urteilen bisher das deutsche Recht noch nicht Gegenstand war, lässt der Rechnungshof nicht gelten, und auch das Finanzministerium hat eine Angleichung der Besteuerung im vorigen Jahr auf den Weg gebracht. Allerdings soll sie erst ab 2018 wirksam werden. Bis dahin laufen immense Summen auf, weil Erstattungsansprüche ausländischer Fonds wegen Unklarheiten über die Zuständigkeiten in der Finanzverwaltung seit Jahren nicht bearbeitet werden – schon 2012 hatten die sich laut Finanzministerium auf zwei Milliarden Euro addiert und dürften heute noch weit höher liegen. Darauf werden Zinsen fällig, und zwar sechs Prozent im Jahr. Der Rechnungshof weist daher darauf hin, dass sich – sollten die Ansprüche berechtigt sein - eine Belastung des Bundeshaushalts in Höhe von mindestens 120 Millionen Euro jährlich ergibt.

Abstürzende Lenkwaffen

Die Bundeswehr ist nicht nur mit der Studiensammlung in der neuesten Rechnungshofkritik vertreten. Als einer der großen Haushaltsposten mit viel Investitionsvolumen gehört das Verteidigungsressort immer zu den Risikobereichen, wenn es um Rechnungskontrolle geht. Das Beschaffungsprojekt, das der Rechnungshof dieses Mal im Visier hat, betrifft 30 Lenkflugkörper für die Korvetten der Marine. Die wurden 2005 gekauft, sollten 2009 einsatzbereit sein, geliefert wurden sie aber erst 2012. Der Bund zahlte den vollen Kaufpreis von 60 Millionen Euro, ohne die Einsatzfähigkeit der Waffe ausreichend zu prüfen. Als das dann 2013 gemacht wurde, stürzten die beiden Lenkflugkörper ins Meer, eine Wiederholung zwei Jahre später kostete zusätzliche Millionen. „Der Kaufvertrag gab der Bundeswehr keine Möglichkeit, den Auftragnehmer an den Kosten der Tests zu beteiligen“, rügt Scheller. Natürlich sind Rüstungsprojekte keine beliebigen Einkäufe, bei denen man unter vielen Anbietern aussuchen kann. Aber der Rechnungshofpräsident ist dennoch der Ansicht, dass Verträge so gestaltet werden können, dass finanzielle Risiken verteilt werden und Folgekosten nicht durchweg der Steuerzahler trägt, wenn sie der Hersteller verursacht. Dass die Lenkflugkörper zudem nur Ziele auf See treffen können, nicht aber alle Ziele an Land, weil sie technisch dafür nicht taugen, hat den Fachleuten des Rechnungshofs auch nicht gefallen. Und dass die Bundeswehr offenbar ihr eigenes IT-System für Einkäufe nicht genügend nutz (oder nutzen kann), ist auch ein Prüfergebnis. 2013 habe sie nur 16 Prozent ihrer Waren und Dienstleistungen darüber abgewickelt, bei einem Volumen von 4,5 Milliarden Euro. Das Einsparpotenzial durch das IT-System werde so nicht genügend genutzt, bemängeln die Prüfer.

Überladene Lastwagen

Auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) muss sich Kritik gefallen lassen. Sein Ressort versäume es seit mehr als zehn Jahren, eine effektive Gewichtskontrolle von schweren Lastwagen umzusetzen. Noch immer gebe es kein flächendeckendes Netz von Messstellen – statt der geplanten 80 seien es derzeit nur 41. Und diese seien sehr störanfällig. Das könnten Spediteure nutzen, um ohne größeres Entdeckungsrisiko mit überladenen Transportern unterwegs zu sein. Die Folge laut Rechnungshof: stärkere Straßenschäden und damit zusätzliche Erhaltungskosten in dreistelliger Millionenhöhe pro Jahr. Im Übrigen, so Scheller, führe das auch zu Wettbewerbsverzerrungen, wenn betrügerische Spediteure mehr Ladung als erlaubt mitführten.

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