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Rotes Duo. Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht führen die Linksfraktion. Foto: dpa

© Davids

Neue Linken-Fraktionschefs: Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht: Gespann der Gegensätze

Die Linksfraktion hat die einstigen Widersacher Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch zu ihren Vorsitzenden gewählt. Und die neuen Chefs beteuern, in "mehr als 90 Prozent" aller politischen Fragen einig zu sein.

Vor dem Fraktionssaal steht er noch mal kurz im Mittelpunkt. Abschiedssekt für alle Umstehenden, Gregor Gysi lässt es sich nicht nehmen, die Gläser persönlich zu verteilen. Der 67-Jährige wirkt gut gelaunt und kein bisschen wehmütig – auch wenn er das Unglaubliche, wie um es sich selber klarzumachen, gleich zweimal aussprechen muss: „Jetzt gehe ich da rein als Fraktionsvorsitzender, und wenn ich wieder rauskomme, bin ich ein einfacher Abgeordneter.“

Gysi: Man darf es nicht übertreiben

Er bedauere seine Entscheidung aber „keine Sekunde“, versichert der künftige Hinterbänkler. Nach insgesamt zwei Jahrzehnten an der Spitze der Linken im Bundestag sei es auch mal genug, „man darf es nicht übertreiben“. Und andere Rekordhalter wie den SPD-Zuchtmeister Herbert Wehner habe er damit ja ohnehin schon überholt.

Gysis Nachfolger wirken weniger locker. Wortlos und ohne jeden Seitenblick betreten Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch den Saal, platzieren sich rechts und links neben ihrem mit einem Mal sehr einsam wirkenden Noch-Vorsitzenden – Bartsch im schwarzen Anzug mit roter Krawatte, Wagenknecht im feuerroten Kostüm. Am Ende ist ihre Wahl ja doch ein Experiment - trotz aller Absprachen und obwohl es keine Gegenkandidaten gibt.

Viele Ungewissheiten vor der Wahl

Werden die Fundamentalisten dem Apparatschik Bartsch tatsächlich mit ihren Stimmen ins Amt verhelfen? Und hat der Reformerflügel wirklich kein Problem damit, die einstige Vorfrau der Kommunistischen Plattform mit auf den Schild zu heben? Vor allem aber: Kommen die beiden Flügel-Exponenten mit einigermaßen vergleichbaren Ergebnissen aus der Wahl? Oder gibt es Denkzettel, Abstrafungen, Abneigungsbekundungen mit dem Potenzial, das mühsam befriedete Fraktionsklima neuerlich zu vergiften?

Künftig habe jeder der beiden auch unabhängig von der eigenen Position die Fraktionsmehrheit zu vertreten, appelliert Gysi im Schullehrerton noch mal an die Kandidaten. Dann schließen sich die Türen – und als sie sich wieder öffnen, sind alle erleichtert. Die aus der Not geborene Idee, die einstmaligen Erzfeinde als Führungstandem zusammenzuspannen, hat in der Fraktion eine klare Mehrheit gefunden.

Bartsch schneidet deutlich besser ab

Allerdings: Bartsch kommt auf 55 der abgegebenen 60 Stimmen, also fast 92 Prozent Zustimmung. Wagenknecht hat lediglich 47 Ja-Stimmen geschafft, das sind etwas mehr als 78 Prozent. Offenbar sind die Vorbehalte gegen die Doppelspitze bei den Reformern stärker als bei den Fundis.

Er sehe beide Ergebnisse als gleichwertig an, beeilt sich Bartsch danach vor Journalisten zu versichern. Und er beteuert, noch bevor er danach gefragt wird, sich mit Wagenknecht in „mehr als 90 Prozent“ aller politischen Fragen einig zu sein. In der Sozialpolitik, der Gesundheitspolitik, der Energiepolitik beispielsweise. Da gebe es, auch wenn sie „aus einer doch sehr heterogenen Partei heraus“ gewählt worden seien, keinerlei Differenzen.

Wagenknecht: Frontstellungen sind Vergangenheit

Bleiben Außen-, Sicherheits-, Europapolitik. Doch Wagenknecht will davon nichts hören. In der CDU, sagt sie in Anspielung auf die Flüchtlingsdebatte, würden sie „sich wünschen, so wenig Meinungsverschiedenheiten zu haben wie bei uns“, sagt sie. Die „Frontstellungen“ bei den Linken seien Vergangenheit, in der Fraktion herrsche nun „ein völlig anderes Klima“.

Wirklich? Bei der Frage nach Rot-Rot im Bund bleibt die „rote Sahra“ jedenfalls bei ihrer Haltung: Ein solches Bündnis sei „sehr, sehr schwierig“, beharrt sie. Schließlich vertrete die SPD Positionen, „die eher an die Seite von Frau Merkel passen“. Bartsch, der bekanntermaßen eine Annäherung befürwortet, kann da nur ausweichen. Die Frage, sagt er, stelle sich ernsthaft erst im Frühjahr – nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.

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