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Politik: Neue Reaktoren will das Land

In Tschechien sind Akws weithin akzeptiert, doch die Zahl der Gegner wächst

Berlin - Im südböhmischen Atomkraftwerk Temelin, etwa 60 Kilometer hinter der deutschen Grenze, will die tschechische Regierung zwei neue Meiler bauen. Die Tschechen stört das nicht. Im Gegenteil: Alle politischen Parteien im Parlament und die Mehrheit der Bevölkerung sehen die energiepolitische Zukunft des Landes in der Atomkraft.

Tschechien exportiert fast ein Fünftel seiner Stromproduktion, einen großen Teil davon nach Deutschland. Damit ist das Land nach Frankreich der zweitgrößte Energieexporteur in der EU. Tschechien werde im kommenden Jahrzehnt alte Kohlekraftwerke abschalten und deswegen brauche das Land neue Reaktoren, argumentiert Václav Bartuška, Sonderbotschafter der Regierung für Energiesicherheit, der auch für die Erweiterung Temelins verantwortlich ist.

Das Atomkraftwerk Temelin ist das größere der zwei Akws in Tschechien. Innerhalb der EU stehe sein Land in der Energiepolitik keineswegs allein da, betont Bartuška. „Ein Teil der EU-Staaten hat keine Atomkraft, ein Teil wird im Laufe von zwei oder drei Jahrzehnten aussteigen, ein Teil wird neue Blöcke bauen.“ Nach Bartuškas Meinung denken die Tschechen einfach praktisch. „Wir sind keine Atom-Fans, nur Pragmatiker. Auf Erdgas wollen wir nicht umsteigen, es würde unsere Abhängigkeit von anderen Zulieferern vergrößern.“

Doch es gibt auch kritische Stimmen: „Ich bin gegen die Nachrüstung von Temelin. Unsere aktuelle Leistung ist doppelt so groß wie nötig“, sagt Jirí Krátký, Abgeordneter der oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD). Seine Meinung teilen aber nur wenige Genossen. Ähnlich sieht es in den anderen Parteien aus. Doch die Zahl der Atomkraftgegner im Parlament steigt langsam. Vor einem Jahr waren nur fünf von 200 Abgeordneten gegen den Bau neuer Atommeiler in Temelin, heute sind es nach Informationen des Wirtschaftsmagazins „Ekonom“ zwölf.

Robin Böhnisch, ein junger Sozialdemokrat und Atomkraftgegner, glaubt nicht, dass alle seine Kollegen im Parlament tatsächlich stark für die Atomenergie sind. „Diese Frage ist für die Mehrheit kein Thema, es interessiert niemanden“, sagt der Abgeordnete. Laut Umfragen sind 55 Prozent der Tschechen für neue Atommeiler. Wenn man nach Details fragt, zeigt sich jedoch, dass viele Bürger schlecht informiert sind und wenige Argumente für ihre Meinung haben. „Der blinde Glaube an Atomtechnokraten, der noch aus der kommunistischen Zeit stammt, ist daran schuld“, sagt der frühere Grünen-Vorsitzende Martin Bursík. Ähnlich sei die Situation in Litauen, Ungarn und Bulgarien. „In keinem dieser postkommunistischen Länder gab es wirklich eine kritische Atomdebatte, keines hat eine Anti-Atombewegung.“ Unter Bursík haben es die tschechischen Grünen 2006 ins Parlament geschafft – als erste Umweltpartei in Osteuropa.

Die Grünen sind auch die einzige Partei, die sich in ihrem Programm gegen Atomkraft ausspricht. Allerdings sind sie seit den letzten Parlamentwahlen 2010 nicht mehr im Parlament vertreten.

Petr Horky

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